Diskriminierung im juristischen Staatsexamen

Das Staatsexamen stellt alle Jurastudierende vor eine große Herausforderung. Nachdem man dann das schriftliche Examen geschafft hat, folgt dann das mündliche Examen. Dieses verlangt von einem neben den fachlichen Kenntnissen noch einige andere Fähigkeiten und vor allem social skills. Kaum etwas Schlimmeres kann man in solch einer belastenden Situation erleben, als wegen seines Geschlechts oder seiner Abstammung diskriminiert zu werden. Und dass genau das passiert behauptet eine Studie aus dem Jahr 2014 (Towfigh, Traxler, Glöckner 2014) und dem Jahr 2017 („Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsexamen“ für das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen)

Hintergrund der Studie aus 2017

Die Studie im Jahr 2017 wurde aus dem Grund veranlasst, dass die Studie aus dem Jahr 2014 ergeben hat, dass Diskriminierung im Staatsexamen festzustellen sei. Es sollte also noch einmal konkret überprüft werden, ob es wirklich Unterschiede bei den Examensergebnissen zwischen den Geschlechtern und Abstammungen feststellen lassen, ob sich die Diskriminierung begründen lässt oder ob eine erneute Untersuchung zu anderen Ergebnissen führt.

Durchführung der Studie aus dem Jahr 2017

Zur Durchführung der Studie hat man alle elektronisch erfassten Ergebnisse des ersten und zweiten juristischen Staatsexamens aus den Jahren 2006 bis 2016 verglichen. Dabei handelt es sich um ca. 20.000 Prüfungsergebnisse. Weiterhin hat man neben dem Vergleich von weiblichen und männlichen Prüfungsteilnehmern verschiedene Indikatoren bestimmt, welche auf einen möglichen Migrationshintergrund hinweisen sollen um auch dahingehend Vergleichsgruppen bilden zu können. Diese Indikatoren sind: Kombination von Vor- und Nachname, Geburtsland und Staatsangehörigkeit.

Ergebnis Geschlecht

In Bezug auf die Vergleichsgruppe des Geschlechts hat die Studie ergeben, dass Frauen im allgemeinen Vergleich durchschnittlich zu 3,6 % schlechter in der Gesamtnote abschneiden als Männer. Setzt man nun gleiche Voraussetzungen voraus, also gleiche Abiturnote, gleicher Prüfungszeitpunkt und gleiches Alter, so steigt diese Differenz noch einmal an. Beachtlich ist auch, dass wenn die Noten im schriftlichen Examen genau gleich sind, Frauen im mündlichen Staatsexamen durchschnittlich 0,2 Notenpunkte weniger erreichen. Die größte Abweichung in den einzelnen Rechtsgebieten besteht dabei im Zivilrecht. Weiterhin erreichen Frauen insgesamt weniger häufig ein Prädikatsexamen. Die Differenz zwischen den Geschlechtern ändert sich aber nicht zwischen dem ersten und zweiten Staatsexamen.

Einfluss von mindestens einer Frau in der Prüfungskommission

Ein Anliegen der Studie aus dem Jahr 2017 war auch festzustellen, ob die geschlechterspezifischen Unterschiede auf Diskriminierung zurückzuführen sind oder andere Gründe haben. Im schriftlichen Examen ist prinzipiell keine Diskriminierung möglich, da die bearbeiteten Examensarbeiten lediglich Prüfungsnummern und keine Namen enthalten. Demnach wurde geprüft wie sich die Ergebnisse des mündlichen Examens verändern, wenn mindestens eine der drei Prüfer:innen eine Frau ist. Die Studie hat ergeben, dass wenn nicht mindestens eine Frau in der Prüfungskommission sitzt, Frauen eine 2,3 % schlechtere Chance haben die jeweils höhere Notenstufe zu erreichen, was für die gesamte berufliche Laufbahn der Person ausschlaggebend sein kann. Bei den Notenstufen zum „Vollbefriedigend“ und „Gut“ liegt diese Wahrscheinlichkeit sogar bei 6 %. Diese Wahrscheinlichkeit fällt laut der Studie weg, sobald mindestens eine Frau Teil der Prüfungskommission ist. Wie sich die Wahrscheinlichkeiten verhalten, wenn mehr als eine Frau Teil der Prüfungskommission ist, konnte nicht festgestellt werden, da es zu wenige Fälle gibt, in denen die Prüfungskommission aus zwei oder drei Frauen besteht.

Ergebnis Menschen mit Migrationshintergrund

In Bezug auf die Vergleichsgruppe Menschen mit Migrationshintergrund wurde aufgrund der angewandten Indikatoren festgestellt, dass Menschen mit Migrationshintergrund sowohl im ersten als auch im zweiten Staatsexamen durchschnittlich 1,42 Notenpunkte weniger erreichen. Außerdem haben sie eine 80 % geringere Wahrscheinlichkeit eine Prädikatsnote zu schaffen. Inwiefern diese Unterschiede aber auf eine Diskriminierung zurückzuführen sind konnte nicht festgestellt werden.

Ergebnis der Studie insgesamt

Insgesamt hat die Studie im Jahr 2017 die Erkenntnisse aus der Studie von 2014 bestätigt. Über die Hintergründe bzw. Ursachen dieser Ergebnisse konnten aber keine genaueren Informationen gewonnen werden. Es wurde lediglich festgestellt, dass Diskriminierung nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht der Unterschied der Prüfungsergebnisse im mündlichen Staatsexamen bei Frauen abhängig davon, ob mindestens eine Frau Teil der Prüfungskommission ist. Allerdings lässt sich dadurch auch keine definitive Diskriminierung feststellen, da es andere Gründe für diesen Unterschied geben kann. Solch ein Grund kann beispielweise sein, dass sich eine Frau insgesamt wohler fühlt, wenn auch eine Frau Teil der Pürfungskommission ist und somit mit besserer Konzetration ein besseres Prüfungsergebnis erzielt. Dieses persönliche Empfinden ist aber kein Aspekt, welcher auf eine Diskriminierung durch die Prüfungskommission zurückzuführen wäre.

Forderungen der Studie

Abschließen wurde auf Grundlage der Studie gefordert, dass in jeder Prüfungskommission mindestens eine Frau Teil Bestandteil ist und die schriftlichen Noten der Prüfungskommission nicht im Vorhinein zugänglich sein sollen, um eine mögliche Beeinflussung durch diese vorzubeugen.

Untersuchungen des Deutschen Juristinnenbunds

Auf Grundlage der Studie aus 2017 hat der Deutsche Juristinnenbund eine Untersuchung durchgeführt. Dabei wurde an jedes Justizprüfungsamt ein Fragebogen geschickt, um die Diskriminierungsgefahr im mündlichen Staatsexamen genauer feststellen zu können. Weiterhin wurden die jeweiligen Ausbildungsgesetze und -verordnungen jedes Justizprüfungsamtes in Deutschland dahingehend überprüft, inwieweit sie Diskriminierung vorbeugen können oder im Fall von Diskriminierung Hilfe bieten. Aus den Ergebnissen hat der Deutsche Juristinnenbund verschiedene Forderungen formuliert:

  • Geschlechterneutrale Besetzung der Prüfungskommissionen
  • Vorgabe klarer, nachvollziehbarer und verbindlicher Bewertungskriterien
  • Kein Zugang der Prüfungskommission zu Noten des schriftlichen Examens
  • Abschaffung des persönlichen Vorgesprächs
  • Einrichtung zusätzlicher Beschwerde- und Kontrollstellen für mögliche Diskriminierte
  • Schulungen für Prüfende im Bereich Diskriminierungssensibilität

Ein Beitrag von Jule Bramkamp

Quellen

https://www.hertie-school.org/fileadmin/4_Debate/Press_releases/2018-04-26_Traxler_juristischer_Staatsexamen/Zusammenfassung_Geschlechts-undHerkunftseffektebei_der_Benotung_juristischer_Staatsexamen.pdf

https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2196-7261-2022-1-23/die-muendliche-pruefung-in-den-juristischen-staatsexamina-eine-blackbox-mit-diskriminierungspotential-jahrgang-9-2022-heft-1?page=1

Erstellt am 14.09.2022

So erreichen Sie unsere Kanzlei in Köln:

Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer

Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht

Theodor-Heuss-Ring 23
50668 Köln
Tel. (0221) 933356-0
Fax (0221) 933356-19
info@dr-riemer.de
Jule Bramkamp

Jule Bramkamp

Studentische Mitarbeiterin