Veröffentlichungsrisiken – Kanzleihomepage

1. Haftung wegen Websiteninhalten

Jeder Webseitenbetreiber ist Diensteanbieter im Sinne des § 2 Nr. 1 des Telemediengesetzes (TMG).  Der Betreiber einer Webseite ist für dort veröffentlichte Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich, sofern es seine eigenen sind, § 7 I TMG. Grundsätzlich geht man davon aus, dass es sich um eigene Inhalte handelt, wenn sie vom Betreiber selbst geschaffen sind und eingestellt wurden.[1] Eigene Inhalte müssen jedoch nicht zwangsläufig selbst geschaffen sein. Umfasst sind auch Inhalte, die der Autor sich zu eigen gemacht hat. Für diese haftet er so, als wenn sie von ihm selbst kämen. Eine fremde Äußerung wird sich nur zu eigen gemacht, wenn der Webseitenbetreiber sich mit ihr identifiziert, so dass sie sich aus der Sicht eines Dritten wie eine eigene darstellt.[2]

Bei der Beurteilung, ob es sich um zu eigen gemachte Inhalte handelt sollte nicht zu vorschnell geurteilt werden. Laut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs basiert die Abgrenzung objektiv auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände.[3] Trotzdem sollte dabei von einem modernen Verbraucherleitbild ausgegangen werden.

Eine Distanzierung mit dem Hinweis, dass es sich um fremde Meinungen und Inhalte handelt, ist haftungsrechtlich wirkungslos, insbesondere wenn die fremden Äußerungen durch den neuen Autor gekürzt oder zusammengefasst wurden. Dadurch wird deren Sinngehalt verändert und der Text ist bereits als eigener zu behandeln.

Selbstverständlich unterscheiden sich die Webseitenbetreiber untereinander und haften nicht alle im selben Umfang.

Von der Veröffentlichung eigener Inhalte wird die Gruppe der Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 – 10 TMG abgegrenzt. Speichert der Betreiber bloß fremde Informationen für die Nutzer der Internetseite, so haftet er gemäß § 10 TMG grundsätzlich nicht, wenn die gespeicherten Inhalte rechtswidrig sind. Dabei geht es vor allem um von Nutzern gespeicherte und publizierte Inhalte.[4] Voraussetzung für den Haftungsausschluss des Diensteanbieters ist, dass dieser keine Kenntnis von dem rechtswidrigen Inhalt hat. Kenntnis ist in diesem Zusammenhang laut dem BGH Urteil vom 25.10.2011 (VI ZR 93/10) dann gegeben, wenn die Rechtswidrigkeit unschwer zu erkennen ist und keiner separaten Prüfung bedarf. Haftung ist auch dann gegeben, wenn die Inhalte ihm bekannt waren und er nicht unverzüglich tätig geworden ist, um sie zu beseitigen.

Die Verpflichtung des Diensteanbieters im Sinne der §§ 8-10 TMG zur Löschung des rechtswidrigen Inhalts gilt nur, wenn er darauf hingewiesen wird oder diese selbst zufällig entdeckt. Eine dauerhafte Überwachungspflicht wird nicht verlangt, § 7 Abs. 2 TMG.

Der Ausschluss allgemeiner Überwachungs- und Nachforschungspflichten des Diensteanbieters im Sinne der §§ 8 bis 10, nach § 7 Abs. 2 ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 der ECRL. Dieser muss daher zur Vermeidung einer deliktsrechtlichen Haftung keine anlassunabhängige generelle Überwachung der Websiteninhalte unternehmen.

§ 7 Abs. 2 schließt auch eine Verpflichtung des Diensteanbieters aus, von sich aus Nachforschungen dahin anzustellen, ob seine Tätigkeit rechtswidrig sein könnte.

Handelt es sich um eigene Informationen im Sinne des § 7 Abs. 1 die veröffentlicht wurden, so bedeutet dies nicht zwangsläufig eine Haftung. Zuerst muss eine Prüfung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der angewandten Haftungsnorm erfolgen. Dies liegt daran, dass es sich bei §§ 7 – 10, ausgenommen § 7 Abs. 4, nicht um selbständige Anspruchsgrundlagen handelt, sondern diese bloß eine Einschränkungs- bzw. Ausschlussfunktion bestehender Rechtsnormen haben. §§ 7 bis 10 enthalten keine eigenen Garanten- oder Prüfungspflichten. Zu den allgemeinen Rechtsvorschriften für die Verantwortung des Diensteanbieters zählen einerseits Anspruchsgrundlagen und Straftatbestände.[5]

Für eigene oder eigen gemachte Inhalte ist der Diensteanbieter verantwortlich und kann für diese dementsprechend haften. Eine sich aus dem Gesetz ergebende Überwachungs- und Nachforschungspflicht besteht nicht, da es aber für die Haftung aus eigenem Inhalt keine Privilegierung gibt, ist dies hilfreich. Handelt es sich um einen Diensteanbieter, der auf seiner Website fremde Informationen speichert und über dessen Rechtswidrigkeit keine Kenntnis hat, so haftet er nicht. Eine aktive Überwachungs- und Nachforschungspflicht gilt auch für ihn nicht.

 

2. Haftung für Rechtsbeiträge auf der Kanzleihomepage?

Der medienrechtliche Rahmen für eine Kanzlei-Homepage bemisst sich laut Dr. Mario Axmann und Dr. Thomas A. Degen, spezialisiert auf Anwaltsstrategien, insbesondere nach dem Telemediengesetz und dem Rundfunkstaatsvertrag.[6] Da auch Rechtsanwälte mit einer Kanzleihomepage als Diensteanbieter im Sinne des TMG gelten, haften diese für eigene oder zu eigen gemachte Inhalt nach den allgemeinen Gesetzen, § 7 Abs. 1 TMG. Unter diese allgemeinen Gesetze fallen zB. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB, das Urheberrecht, das Markenrecht und das UWG.

Beim Anwaltsvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag nach den §§ 611, 675 BGB bzw. §§ 631, 675 BGB.[7] Dadurch ergibt sich für den Rechtsanwalt die Pflicht zur Erbringung der anwaltlichen Dienstleistung. Darunter fallen auch Rechtsberatung und Rechtsvertretung.[8]

Verletzt der Rechtsanwalt seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis beispielsweise durch Falschberatung kann er durch seinen Mandanten auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Rechtsgrundlage ist die vertragliche Haftung wegen Schlechtleistung im Sinne des § 280 BGB.

Fraglich ist inwieweit die bereitgestellten Informationen auf einer Kanzlei Homepage nicht nur eine deliktische, sondern auch eine vertragliche Haftung begründen. Für eine vertragliche Haftung aufgrund der Erteilung eines fehlerhaften oder unvollständigen rechtlichen Rats müsste, wie oben genannt, zu der beratenen Person ein rechtlich relevantes Vertragsverhältnis bestehen. Möglicherweise kann in der Nutzung der Informationen auf einer Kanzlei-Homepage bereits ein Vertragsverhältnis oder sich ein anbahnender Vertrag des Nutzers zum Rechtsanwalt gesehen werden.

a) Kanzleihomepage – Fernabsatzvertrag?

Vor diesem Gesichtspunkt wird diskutiert, ob das Bestehen einer Kanzlei-Homepage mit der Möglichkeit der E-Mail-Kontaktaufnahme bereits dem Fernabsatzrecht unterliegt.

Umfasst wird jedenfalls Online-Rechtsberatung, die dem Mandanten über Fernkommunikationsmittel die direkte Konsultation mit einem Rechtsanwalt ermöglicht.[9] Grundsätzlich gilt, dass bei regelmäßigem und routiniertem Zustandekommen eines Anwaltsvertrags über Fernkommunikationsmittel wie Telefon, Fax, E-Mail die Vorschriften für Fernabsatzverträge i.S. der §§ 312b ff. BGB Anwendung finden.

Sofern aber in der Kanzlei zur Anbahnung des Anwaltsvertrags nur gelegentlich oder zufällig Fernkommunikationsmittel für den Vertragsschluss eingesetzt werden, unterliegen diese Anwaltsverträge nicht den §§ 312b ff. BGB. Diese sollen konkret nur bei für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystemen Geltung entfalten.

Selbst wenn ein Rechtsanwalt die grundsätzlichen technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz besitzt, wie beispielsweise der Briefkasten, das E-Mail-Postfach und Telefon-/Faxanschlüsse, begründet dies kein System das dem Fernabsatz unterfällt.[10]  Fernabsatzmittel sind zum grundlegenden Betrieb einer modernen Anwaltskanzlei notwendig.

Nicht betroffen vom Anwendungsbereich der Vorschriften über den Fernabsatzvertrag sind folglich Rechtsanwälte, die nur zu Werbezwecken auf ihrer Kanzlei-Homepage die Möglichkeit der digitalen Mandatsbearbeitung darstellen, dabei aber kein Fernabsatzsystem in organisatorischer Hinsicht haben. Die anwaltliche Dienstleistung wird im wesentlichen Umfang erst beim persönlichen Kontakt konkretisiert. Eine Kanzlei-Homepage mit der Möglichkeit der E-Mail-Kontaktaufnahme ist mithin nicht ausreichend.

Anwaltsverträge können dennoch Verträge über die Erbringung einer Dienstleistung im Sinne von § 312 b Abs. 1 S. 1 BGB sein und unter bestimmten Voraussetzungen den Regeln über Fernabsatzverträge unterworfen sein.[11] Die Möglichkeit einer bloßen digitalen Kontaktaufnahme ist jedoch nicht ausreichend.

Zudem lässt sich daraus schließen, dass auch das Bereitstellen von Rechtsinhalten auf der Kanzlei-Homepage, sowie die Präsentation der Kanzleischwerpunkte nicht genügen, um bereits ein Vertragsverhältnis nach Fernabsatz zu begründen.

Ein vergleichbarer Sachverhalt wären die Ausschreibungen von Waren auf Internetseiten. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich dabei um eine sog. invitatio ad offerendum.[12] Setzt man dies in den Vergleich zu Rechtsbeiträgen auf einer Kanzlei-Homepage wird deutlich, dass diese vorrangig dem Zweck der Eigenpräsentation der Kompetenzen der Kanzlei dienen und genauso wenig wie Warendarstellungen rechtsbindende Angebote sind. Natürlich bedarf dies im streitigen Einzelfall der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB.

b) Kanzleihomepage – Vertragliche Anbahnung

Weiter denkbar bei einem fehlerhaften oder veralteten Online-Rechtsbeitrag wäre eventuell ein vorvertragliches Verschulden bei Vertragsanbahnung. Die Haftung richtet sich hierbei nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, sog. culpa in contrahendo.[13] Dafür müsste das Bereitstellen rechtlich relevanter Inhalte auf einer Kanzlei-Homepage ein vorvertragliches Verhältnis zum Nutzer begründen.

Wohlbekannt beginnt jedes Mandat damit, dass ein Mandant mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufnimmt und der Sachverhalt zunächst erläutert wird. Bereits hierbei stellt der Rechtsanwalt dem Mandanten rechtlich relevante Informationen dar. Doch bereits vor Beginn der vertraglichen Beziehung obliegen dem Rechtsanwalt aufgrund seiner Vertrauensstellung Pflichten. Darunter fällt zum Beispiel die unverzügliche Anzeigepflicht des Rechtsanwalts, dass er die geschilderte Angelegenheit nicht in einem Mandat zu übernehmen gedenkt, § 44 BRAO. Daraus lässt sich schließen, dass ein vorvertragliches Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt erst mit tatsächlicher Kontaktaufnahme bejaht wird, diese kann selbstverständlich auch über Fernabsatzmittel geschehen[14]. Das bloße Nutzen der Kanzlei-Homepage eines Rechtsanwalts genügt insofern aufgrund mangelnden Kontakts nicht.

Auch wenn viele dazu neigen jede Verlautbarung eines Rechtsanwalts zu rechtlichen Themen als eine Rechtsdienstleistung darzustellen, ist dies falsch. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ist eine an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien keine Rechtsdienstleistung.

Weiterhin stellen die Normen über den Fernabsatz auf den Vertragsabschluss ab und nicht auf die Vertragsanbahnung.[15] Die Bereitstellung von Informationen auf einer Kanzlei- Homepage begründet somit kein (vorvertragliches) Rechtsverhältnis, konkret Mandatsverhältnis. Der „lediglich werbende Charakter“ zählt nur in den Bereich der Vertragsanbahnung.[16] Ebenso können die veröffentlichten Informationen eine Rechtsberatung aufgrund der Individualität jedes Einzelfalles nicht ersetzen.

3. Ist ein haftungsauschließender Disclaimer sinnvoll oder ein Mythos?

Viele Websitenbetreiber wiegen sich in Sicherheit, sobald sie eine Haftung für Inhalte auf Ihrer Website durch sog. „Disclaimer“ ausschließen oder beschränken.[17] Auch unter Rechtsanwälten sind solche Disclaimer auf den Kanzlei-Homepages weit verbreitet. Diese sind so formuliert, dass dem Leser klar wird, dass der Äußernde keine Haftung für die Richtigkeit der Texte auf seiner Homepage übernimmt. Meistens sind diese im Impressum zu finden.

Doch auf Rechtsebene sind die Disclaimer nicht so hilfreich, wie man denkt. In der Regel ist die Positionierung, beispielsweise im Impressum, so unvorteilhaft, dass die Einschränkung der Informationshaftung nicht auffällt. So verfehlen Disclaimer ihre Wirkung.[18] Es wird empfohlen auf diese schlichtweg zu verzichten.[19]

Selbst wenn ein Haftungsausschluss dem Nutzer gegenüber gegeben wäre, so würde dies die Haftung des Diensteanbieters nach Telemediengesetz dem Verletzten gegenüber nicht einschränken können. Jede Abweichung von der gesetzlichen Regelung ist unwirksam.[20]

Rechtsanwälte informieren auf ihren Kanzlei-Homepages regelmäßig über aktuelle rechtliche Themen und diskutieren diese. Auch wenn dies vorrangig zur Präsentation der Tätigkeitsfelder der Kanzlei dient handelt es sich um redaktionelle Inhalte. Insofern kann es nach Strahl allenfalls sinnvoll sein, einen presserechtlich „Verantwortlichen“ zu benennen, der einen Überblick über die Veröffentlichungstätigkeit auf der Homepage hat.[21] Dieser sollte dann bei Erkenntnis von Fehldarstellungen auch zeitnahe Korrekturen vornehmen können. Unberührt bleibt davon die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters gem. §§ 5, 7 Abs. 1 TMG. Eine Klarstellung, dass die Nutzung einer allgemeinen Kanzlei-Website keine vertragliche Rechtsberatung darstellt ist nicht notwendig aber hilfreich.

[1] Spindler/Schuster/Hoffmann/Volkmann, 4. Aufl. 2019, TMG § 7 Rn. 14

[2] Spindler/Schuster/Hoffmann/Volkmann, 4. Aufl. 2019, TMG § 7 Rn. 16

[3] BGH, Urteil v. 12.11.2009 – I ZR 166/07 – „marions-kochbuch.de“.

[4] Spindler/Schuster/Hoffmann/Volkmann, 4. Aufl. 2019, TMG § 7 Rn. 15

[5] Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 18.2 Zivilrechtliche Haftung im Online-Bereich Rn. 3-7, beck-online

[6] Axmann/Degen: Kanzlei-Homepages und elektronische Mandatsbearbeitung – Anwaltsstrategien zur Minimierung rechtlicher Risiken, NJW 2006, 1457, beck-online

[7] JA 2018, 328, beck-online

[8] Vgl. Feurich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl. 2016, BRAO § 44 Rn. 14

[9] Axmann/Degen: Kanzlei-Homepages und elektronische Mandatsbearbeitung – Anwaltsstrategien zur Minimierung rechtlicher Risiken, NJW 2006, 1461, beck online

[10] Axmann/Degen: Kanzlei-Homepages und elektronische Mandatsbearbeitung – Anwaltsstrategien zur Minimierung rechtlicher Risiken, NJW 2006, 1461, beck online

[11] NJW 2018, 690, beck-online

[12] NJW-RR 2003, 54, beck-online

[13] https://www.juraforum.de/lexikon/culpa-in-contrahendo

[14] NJW 2018, 690, beck-online

[15] NJW 2014, 817, beck-online

[16] NJW 2014, 817, beck-online

[17] Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 8 Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz gegenüber Äußerungen im Internet Rn. 36, beck-online

[18] Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 8 Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz gegenüber Äußerungen im Internet Rn. 36, beck-online

[19] https://www.it-recht-kanzlei.de/disclaimer-sinn-unsinn.html

[20] https://easyrechtssicher.de/disclaimer/

[21] Mes, Beck’sches Prozessformularbuch 14. Auflage 2019 Form. I. A. 4. Anm. 1-9,  Rn. 8, beck online

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Julia Kilali