Können Schulnoten gerichtlich überprüft werden?

Angesichts der subjektiven Bewertung von Prüfungsleistungen stellt sich die Frage, ob Schulnoten vom Verwaltungsgericht überprüft werden können.

A. Abitur in Deutschland

Wie hat sich das Abitur verändert?

Die Abiturientenquote in Deutschland steigt seit 1975 stetig. 1975 machten noch 14,7 % Abitur, 2020 waren es schon 27,2 %. Der Prozentanteil der Abiturienten hat sich also fast verdoppelt. Hauptgrund hierfür soll aber nicht das geringere Niveau sein, sondern, dass Bildung heute einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft hat. Immer mehr junge Menschen (bzw. dessen Eltern) wollen Abitur machen. Dies betrifft gerade auch Mädchen. (Abb. 1)

Mittlerweile beenden die meisten Schülerinnen und Schüler immer noch ihre Schullaufbahn mit der Mittleren Reife (Realschulabschluss oder 10.Klasse Gymnasium). Darauf folgt mit 34,3 % die allgemeine Hochschulreife. Gar keinen Abschluss machen 6,2 %. 20 Jahre zuvor waren es noch 9,6 Prozent der Schüler, die keinen Abschluss machten. Die Zahl der Hauptschulabsolventen ist im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken. Während 2001 noch 25,5 Prozent der jungen Menschen den Hauptschulabschluss machten, waren es 2021 nur noch 15,9 Prozent. (Abb. 2)

  

 

Entwicklung der Abiturnote

Auch an den Abiturnoten lässt sich eine Veränderung erkennen. Laut Kultusministerkonferenz hat sich diese in den vergangenen Jahren geringfügig verbessert. Insgesamt hat sich diese seit 2006 um 0,25 verbessert (s. Abb. 2). Am Stärksten hat sie sich in Brandenburg, Berlin und NRW verbessert.  Es ist unklar, ob dies darauf zurück zu führen ist, dass Lehrer besser bewerten oder ob Schüler besser geworden sind. Die Kultusministerkonferenz meint, dass hierfür die etlichen Bildungsstandards, welche in den letzten Jahren eingeführt wurden, zu einer Verbesserung geführt haben könnten.

Es lässt sich aber allgemein feststellen, dass die Abiturnoten je nach Bundesland stark variieren.

In die Benotung von Schülern spielen viele zusätzliche Faktoren hinein. Hierzu gehört die persönliche Sympathie, welche zum Teil geprägt ist durch unbewusste Vorurteile. Auch die soziale Herkunft der Schülerin oder des Schülers spielen eine Rolle, sowie die Überwertung des ersten Eindrucks einer Prüfung oder der letzten Antwort. Zudem spielt auch eine zu strenge oder zu milde Betonung je nach Persönlichkeit der Lehrkraft und die Leistungen der Mitschülerinnen und Mitschüler in der Klasse eine Rolle.

Vorgehensweise bei zu Unrecht erteilter Note

Fraglich ist, ob gegen eine zu Unrecht erteilte Benotung gerichtlich vorgegangen werden kann.

Noten ein Verwaltungsakt?

Hierfür muss zunächst geklärt werden, ob es sich dabei um einen Verwaltungsakt handelt.

Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 VwVfG).

Problematisch könnte dabei die für den Verwaltungsakt benötigte Außenwirkung sein. Eine einzelne Note (bspw. einer Klausur) stellt lediglich eine Bewertung einer Einzelleistung dar und hat somit keine unmittelbare Wirkung nach außen. Dies gilt auch für die Benotung der mündlichen Mitarbeit.

Anders ist dies bei Zeugnissen. Das Jahreszeugnis ist eine Leistungsbewertung für das gesamte Schuljahr. Es hat als Einzelnote eine Außenwirkung, wenn es über die Schule hinaus Einfluss auf das Leben des Schülers hat. Dies liegt beispielsweise vor, wenn es sich um Noten für Zeugnisse handelt, die über die Versetzung oder den weiteren Bildungsweg entscheiden. In diesem Fall stellt das Jahreszeugnis einen Verwaltungsakt dar. Gleiches gilt auch für die Abschlusszeugnisse (Bsp. Abitur).

Die Halbjahreszeugnisse hingegen geben lediglich einen Leistungsstand zu diesem Zeitpunkt wieder und haben ebenfalls keine unmittelbare Wirkung nach außen. Eine Ausnahme besteht aber in der Oberstufe ab der Qualifikationsphase, da ab diesem Zeitpunkt die Noten des Halbjahreszeugnisses auch direkt in die Abiturnote einfließen und damit eine Außenwirkung entfalten – oder wenn das Halbjahreszeugnis für Bewerbungen (bspw. für einen Ausbildungsplatz) verwendet wird. In diesem Fall besteht auch im Halbjahreszeugnis ein Verwaltungsakt.

Widerspruch einlegen

Besteht also ein Verwaltungsakt, kann gegen diesen Widerspruch eingelegt werden. Das Widerspruchsverfahren ist jedoch nicht in allen Bundesländern vorgeschrieben, wie beispielsweise in Bayern. Ist dies der Fall oder ist das Widerspruchsverfahren nicht erfolgreich, kann das Zeugnis gerichtlich in Form der Anfechtungsklage angefochten werden.

Zunächst wird ein offizielles Widerspruchsschreiben an die Schulleitung geschickt, in dem ausführlich erklärt wird, auf welcher Grundlage das Zeugnis angefochten wird. Versäumnisse und Fehler des Lehrers sind anzuführen. Damit eine zeitnahe Prüfung erfolgen und die Argumente des Schülers bzw. seiner Erziehungsberechtigten berücksichtigt werden können, sollte der Widerspruch eine Begründung enthalten und eindeutig zum Ausdruck bringen, wogegen er konkret gerichtet ist. Sollte die Begründung des Widerspruchs stichhaltig und die Fehler nachvollziehbar sein, besteht die Möglichkeit, dass die Schulleitung außergerichtlich eine Anpassung der Note vornimmt. Da die Notenvergabe aber eine subjektive Angelegenheit ist, kommt es vor, dass keine Einigung mit der Schulleitung und dem Lehrer erfolgt.

Besonders wenn keine formellen Fehler bei der Notenvergabe nachgewiesen werden können, bleibt oft nur der Klageweg vor das Verwaltungsgericht. Die gerichtliche Überprüfung der Abiturnote beschränkt sich allerdings auf Verfahrensfehler, Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Verletzung von allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben, Anstellung von sachfremden Erwägungen oder unrichtige Darstellung eines Sachverhalts.

Gleichzeitig mit Einlegung des Widerspruchs empfiehlt es sich, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen, da der Widerspruch meist keine aufschiebende Wirkung hat oder weil der Sofortvollzug angeordnet wurde.

Einzelne Schulnoten oder Zeugnisse ohne unmittelbare Rechtsfolgen können nur mit formlosem Rechtsbehelf (Beschwerde an die Schule, Rechtsaufsichtsbeschwerde) überprüft werden.

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Lara Beckers

stud. jur.