Ausschluss der Öffentlichkeit aus Gerichtsverhandlungen
Öffentlichkeitsgrundsatz § 169 Abs.1 S.1 GVG
Grundsätzlich ist die Gerichtsverhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 GVG öffentlich. Dieser Öffentlichkeitsgrundsatz ist aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 und 2 EMRK sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleiten und findet seine einfachgesetzliche Ausprägung in § 169 Abs. 1 S. 2 GVG. Danach wird jedem, der nicht Prozessbeteiligter ist, die Möglichkeit offengestellt an einer mündlichen Gerichtsverhandlung als Zuhörer teilzunehmen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt für sämtliche Hauptverhandlungen eines erkennenden Gerichts, also auch für das Revisionsgericht, nicht jedoch für gerichtliche Verhandlungen, die außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommen werden.
Das Öffentlichkeitsprinzip dient verschiedenen Zwecken. Zum einen soll es die Rechtsstaatlichkeit und Neutralität der Justiz sicherstellen, indem es die Kontrolle der staatlichen Machtausübung ermöglicht. Dadurch werden ebenfalls die richterliche Unabhängigkeit und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Justiz gestärkt. Zum anderen soll das Öffentlichkeitsprinzip dazu beitragen, dass obrigkeitliche Willkür verhindert und mehr Transparenz in den gerichtlichen Verfahren geschaffen wird. Neben diesem Kontrollzweck dient der Öffentlichkeitsgrundsatz jedoch auch dem Strafzweck der Generalprävention durch die Teilhabe und Information der Öffentlichkeit. Der Zutritt zum Verhandlungsraum muss der Öffentlichkeit nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten erkennbar gewährt werden. In der Regel wird vorausgesetzt, dass mindestens eine als Zugang erkennbare Tür während der Verhandlungsdauer ständig unverschlossen ist.
Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es dem Gericht jedoch gestattet, die Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen.
Zulässig ist dies nach den Voraussetzungen des § 171b GVG. Beispielsweise dann, wenn der Schutz von Persönlichkeitsrechten eines Prozessbeteiligten oder Zeugen dies gebietet, wenn Betriebs-, Geschäfts- oder Steuergeheimnisse zu erörtern sind oder wenn eine Person unter 18 Jahren vernommen werden soll oder die Person zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig war. Grundsätzlich hat ein Prozessbeteiligter nach § 171b GVG Anspruch auf den Ausschluss der Gesellschaft, wenn Umstände erörtert werden sollen, die üblicherweise nicht Gegenstand einer Erörterung des täglichen Lebens darstellen. Ob das Persönlichkeitsrecht des Beteiligten im konkreten Fall Vorrang hat, ist durch eine Abwägung mit dem Interesse der öffentlichen Erörterung der Umstände zu entscheiden.
Reichweite des Ausschlusses
Diesbezüglich stellt sich die Frage, wie weit der Begriff der Öffentlichkeit zu verstehen ist und ob demnach auch Praktikanten und Referendare, sowie andere Personen, die sich in der Weiterbildung befinden, unter den Voraussetzungen des § 171b GVG von gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werden können.
Wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, kann das Gericht gemäß § 175 Abs. 2 GVG einzelnen Personen den Zutritt zur Hauptverhandlung, nach pflichtgemäßem Ermessen, gestatten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass diese Personen ein berechtigtes Interesse an der Teilnahme aufweisen. In Betracht kommt eine solche Verfahrensweise in der Praxis häufig bei Referendaren, nahen Angehörigen, Pressevertretern und Personen, die zum Zweck ihrer Aus- oder Weiterbildung zuhören möchten.
Im Umkehrschluss ergibt dies, dass Referendare, sowie andere Personen, die zum Zwecke ihrer Aus- oder Weiterbildung an einer mündlichen Verhandlung als Zuschauer teilnehmen möchten, auch unter die Öffentlichkeit fallen und deren Teilnahme an einer nicht öffentlichen Verhandlung demnach eines Gerichtsbeschlusses bedarf.
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Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht
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