Mit dem sogenannten Notlagentarif kommen viele Versicherungsnehmer in Kontakt, wenn sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Dieser Tarif beruht nicht auf einer freiwilligen Wahl, sondern er tritt ein, wenn Versicherungsprämien über einen längeren Zeitraum nicht gezahlt wurden.

Denn wenn der Versicherungsnehmer seine Versicherungsprämien nicht entrichtet und der Versicherer andererseits den Vertrag nicht kündigen kann, stellt sich die Frage, welche Leistungspflichten der Versicherer weiterhin erbringen muss.

Für diesen Fall führte der Gesetzgeber den Notlagentarif (§ 193 VVG, § 153 VAG) ein.

Dieser soll eine ausreichende medizinische Grundversorgung des Versicherungsnehmers bieten und gleichzeitig vor Überschuldung schützen und damit eine Entlastung des Versicherungskollektivs darstellen.

Beginn des Notlagentarifs

Der Notlagentarif beginnt mit Ruhen des Vertrages. Dies ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer in Prämienverzug gerät.

  1. Prämienverzug
  2. Erste Mahnung

Bei einem Prämienverzug erfolgt nach zwei Monaten eine Mahnung durch den Versicherer.

  1. Zweite Mahnung

Falls zwei Monate darauf immer noch mindestens ein Monatsbeitrag fällig ist, so mahnt der Versicherer ein zweites Mal.

  1. Ruhen des Vertrages

Sollte nach Ablauf dieser Frist noch mindestens ein Monatsbeitrag fällig sein, wird der Versicherer in den Notlagentarif eingestuft. Der Vertrag ruht.
Es handelt sich um einen „Zwangstarif“ in welcher der Versicherungsnehmer kraft Gesetzes einzugliedern ist.

  1. Ausnahme

Jedoch tritt der Notlagentarif nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer hilfsbedürftig ist und Bürgergeld oder Sozialhilfe bezieht (SGB II oder SGB XII). In diesem Fall werden die Beiträge durch den Sozialleistungsträger entrichtet.

Leistungen während es Notlagentarifs

In § 153 Abs. 1 S. 2 und 3 VAG werden die Leistungen im Notlagentarif skizziert. Dabei handelt es sich lediglich um Basisleistungen; Leistungen, die das medizinisch Notwendigste abdecken.

Es sollen lediglich medizinische Notlagen verhindert werden. Eine umfassende Gesundheitsversorgung ist ausgeschlossen.

  • Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzen
  • Grundversorgung im Falle einer Schwangerschaft / Mutterschaft

Abweichend davon sieht § 153 Abs. 2 S. 3 VAG zusätzliche Leistungen für Kinder und Jugendliche vor.

Darüber hinaus sind bei dieser Personengruppe weitere Leistungen im Einzelfall zu gewähren. Bei Erwachsenen ist jedoch eine enge Grenze zu ziehen. Leistungen, die über den Katalog hinausgehen, sind nicht zu erstatten.

Die Leistungspflicht ist jedoch in bestimmten Bereichen ausgeschlossen, unter anderem bei:

  • Folgen von Unfällen, die durch Kriegsereignisse verursacht oder die als Wehrdienstbeschädigungen anerkannt sind
  • Vorsätzlich herbeigeführte Krankheiten und Unfälle einschließlich der Folgen
  • Krankheiten durch Verbrechen oder Vergehen, die der Versicherungsnehmer begangen hat
  • Nicht medizinisch indizierte Maßnahmen (z.B. Piercings, ästhetische Behandlungen)
  • Ambulante Psychotherapie
  • Kosten für den Rücktransport aus dem Ausland
  • Unterbringung aufgrund von Pflegebedürftigkeit
  • Kurbehandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen


Obliegenheiten und Pflichten des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer muss dem behandelnden Arzt einen Nachweis über seinen Versicherungsschutz im Notlagentarif erbringen.

Zudem muss er sich durch einen Arzt, welcher durch den Versicherer bestimmt worden ist, untersuchen und behandelt lassen. Ihm obliegt eine Schadensminderungsobliegenheit: Weisungen des Arztes müssen befolgt und Handlungen, welche die Genesung behindern, unterlassen werden.

Sollten derartige Pflichten und Obliegenheiten verletzt werden, ist der Versicherer leistungsfrei.

Höhe der Prämien

Die Prämien des Notlagentarifs belaufen sich auf etwa 100 bis 125 Euro.
Der Beitrag für den Notlagentarif darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht überschreiten.

Zudem findet eine Anrechnung der Alterungsrückstellung auf die im Notlagentarif zu zahlende Prämie statt.

Bei der Alterungsrückstellung handelt es sich um monatlich zurückgelegte Beträge, welche verzinslich angelegt und im Alter verwendet werden.

Selbstbehalte und Risikozuschläge entfallen für die Dauer des Notlagentarifs.

Beendigung des Notlagentarifs

Der Notlagentarif kann nicht aktiv durch den Versicherungsnehmer beendet werden. Die Rückkehr in den ursprünglichen Tarif erfolgt nach der Begleichung aller ausstehenden Zahlungen inklusive Säumniszuschläge und Mahnkosten und tritt qua Gesetzes ein (§ 193 IX VVG). Ein Antrag durch den Versicherungsnehmer ist nicht erforderlich.

Die Eingliederung in den regulären Tarif erfolgt am ersten Tag des übernächsten Monats.

Unterschiede zum Standard- und zum Basistarif

Der Standard- sowie der Basistarif sind Tarife privater Krankenversicherungen, welche für Menschen mit geringem finanziellem Einkommen vorgesehen sind.

Im Unterschied zum Notlagentarif sind diese freiwillig wählbar, wenn verschiedene Voraussetzungen hinsichtlich Alter und Einkommen des Versicherungsnehmers erfüllt sind.

Bei dem Basistarif werden Leistungen gewährt, die mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind. Eine Begrenzung auf die lediglich notwendigen Behandlungen, wie es beim Notlagentarif der Fall ist, findet nicht statt.

Quellen:

Nomos-BR/Laars/Both VAG/Laars/Both, 6. Aufl. 2022, VAG § 153 Rn. 2.

https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/3_PDFs/ABV_und_MB/AVB-NLT.pdf .

Bach/Moser/Wiemer, 6. Aufl. 2023, Teil G.

Bach/Moser/Wendt, 6. Aufl. 2023, VAG § 153 Rn. 7 f..

HK-VAG/Brand, 2. Aufl. 2024, VAG § 152 Rn.9 ff..

https://www.bafin.de/SharedDocs/FAQs/DE/Verbraucher/Versicherung/Produkte/Kranken/Tarife/01_begriffe.html

So erreichen Sie unsere Kanzlei in Köln:

Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer

Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht

Theodor-Heuss-Ring 23
50823 Köln
Tel. (0221) 933356-0
Fax (0221) 933356-19
info@dr-riemer.de

Fina Lingens 

studentische Mitarbeiterin