Private Krankenversicherung gekündigt

Das gilt es jetzt zu beachten!

1. Allgemein: Kündigung PKV

Die Kündigung eines Versicherungsverhältnisses in einer privaten Krankenversicherung durch den Versicherer kommt nur selten vor. Das liegt daran, dass es in Deutschland seit 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht (§ 193 Abs. 3 VVG) gibt, die dem Versicherer Kündigungen grundsätzlich verbieten, vgl. § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG. Das ist wichtig, denn ansonsten bestünde für den Versicherungsnehmer die Gefahr, ohne eine Krankenversicherung dazustehen. Nur in besonderen Ausnahmefällen soll der Versicherer ein Recht zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses haben: Wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 2 VVG verletzt hat – hier kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten – oder er den Versicherer arglistig täuscht oder ihm droht, § 22 VVG – dann kann der Versicherer die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklären. Im Übrigen kann es dem Versicherer auch aufgrund eines anderweitigen gravierenden Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers unzumutbar sein, weiterhin am Vertrag festzuhalten, so dass gemäß § 314 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung besteht.[1] Ein wichtiger Grund, der zur Kündigung berechtigt, ist regelmäßig durch das Vorlegen gefälschter Abrechnungsbelege des Versicherungsnehmers an den Versicherer erfüllt, da der Versicherer so vom Versicherungsnehmer zum Zweck  des Erschleichens von Leistungen getäuscht wird.[2] Der Widerspruch zu § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG lässt sich insoweit lösen, als dass § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG teleologisch so zu reduzieren ist, dass er ausnahmslos nur außerordentliche Kündigungen wegen Prämienverzuges verbietet.[3]

2. Folgen für den Versicherungsnehmer

Die Folge eines derartigen Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers ist der Verlust seines Versicherungsschutzes. Aufgrund des allgemeinen Krankenversicherungspflicht hat der Versicherungsnehmer gleichwohl die Möglichkeit, sich bei einer anderen Versicherungsgesellschaft wieder versichern zu lassen, denn hier muss ihm mindestens der Basistarif angeboten werden. Eine Verpflichtung des vormaligen Versicherers, den Versicherungsnehmer im Basistarif aufzunehmen, besteht jedoch grundsätzlich nicht.[4] Es steht dem Versicherer aber nicht frei, den Versicherungsnehmer wegen der Verletzung in einem Teilbereich der Krankenversicherung ohne weiteres auch in anderen Teilbereichen zu kündigen.[5]

3. Problem: laufender Rechtsstreit

Während diese Regelung richtigerweise dazu dient, den Versicherer in seiner Vertragsfreiheit zu schützen, birgt sie gleichwohl Raum für Probleme. Denn liegt einer der oben genannten Kündigungsgründe vermeintlich vor, kann der Versicherer sofort vom Vertrag zurücktreten. Nicht selten wird der Versicherungsnehmer den Kündigungsgrund aber bestreiten und sich vor Gericht gegen die Kündigung wehren. Weil die Verfahrenszeiten der Justiz in Deutschland bedauerlicherweise sehr lang sind, muss der Versicherungsnehmer mitunter Jahre ohne Versicherungsschutz bzw. nur im Basistarif – mit geringeren Leistungen zu höheren Kosten – versichert auf eine Entscheidung warten.

4. Zumutbarkeit

Unter diesen Gesichtspunkten könnte es dem vormaligen Versicherer nur für Fälle, in denen ein laufender Rechtsstreit vorliegt – jedenfalls bis zum Abschluss desselben -, zuzumuten sein, den Versicherungsnehmer weiterhin im Basistarif zu versichern, so dass der Versicherungsnehmer sich bis zur Entscheidung nicht bei einer anderen Versicherungsgesellschaft zu versichern braucht.

Hiergegen spricht jedoch weiterhin, dass der Versicherer dann ein Vertragsverhältnis mit einem Versicherungsnehmer fortführen müsste, der bei ihm in der Vergangenheit bereits gravierende Vertragsverletzungen begangen hat. Das kann dem Versicherer nicht zugemutet werden. Zudem erfährt der Versicherungsnehmer einen hinreichenden Schutz bereits dadurch, dass er gegenüber anderen Versicherern einen Anspruch auf die Versicherung in einem Basistarif hat.[6] Man könnte an dieser Stelle jedoch die Frage stellen, ob es denn dann einem anderen Versicherer nicht gleichermaßen unzumutbar sein müsste, mit dem betrügerischen oder erheblich vertragsbrüchig gewordenen Versicherungsnehmer einen Vertrag abzuschließen. Dies ist nach Ansicht des BGHs zu verneinen: Die Vertragsverletzung habe sich schließlich nicht in der Sphäre des neuen Versicherers zugetragen, so dass diese auch nicht zu einem Vertrauensverlust führen konnte, der ein Vertragsverhältnis unzumutbar machen könnte.[7] Zugleich könne auch nicht schon im Vorfeld davon ausgegangen werden, dass es bei dem neuen Versicherer ebenfalls zu einem Vertragsbruch kommen werde, zumal dem Versicherer dann gleichermaßen die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung freistünde.[8]

5. Mehrkosten

Durch einen Versicherungsschutz im Basistarif entstehen dem Versicherungsnehmer zwar in der Regel Mehrkosten, diese Mehrkosten kann er aber im Falle eines Obsiegens vor Gericht im Wege von Schadensersatzforderungen gegen den vormaligen Versicherer geltend machen. Gleichwohl lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Versicherungsnehmer im Basistarif geringere Leistungen erhält als noch zuvor und somit auch eine schlechtere Qualität der Versorgung erfährt.

6. Andere Ansicht

Es gibt daher schließlich auch eine weitere Ansicht; die teilweise vertreten wird, nach der § 206 Abs. 1 VVG jede Kündigung durch den Versicherer ausschließe. Hiernach sind §§ 19 und 22 VVG nicht auf Obliegenheitsverletzungen nach Vertragsschluss anwendbar und die Beendigungskündigung dürfe nur dann in Betracht kommen, wenn es kein gleichermaßen geeignetes milderer Mittel gibt.[9] Auch wird in der Literatur teilweise vertreten, dass § 206 Abs. 1 VVG teleologisch so reduziert werden soll, dass nur der über den Basistarif hinausgehende Schutz außerordentlich gekündigt werden kann.[10] Hier ist auf die oben genannten Argumentierungen zu verweisen, wonach es dem vormaligen Versicherer grundsätzlich nicht zugemutet werden kann, an der Vertragsbeziehung festzuhalten, während der Versicherungsnehmer sich bei einem anderen Versicherer im Basistarif – also zu gleichen Konditionen – versichern kann.

Gleichwohl kann eine außerordentliche Kündigung im Einzelfall unangemessen sein, etwa wenn eine besonders lange Dauer der Vertragsbeziehung und die Schadenshöhe im Verhältnis zu der gezahlten monatlichen Prämie zu berücksichtigen sind.[11]

7. Ergebnis

Wird über die Wirksamkeit der Kündigung noch ein Rechtsstreit geführt, so kann der Versicherer gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung aber zur weiteren Kostenübernahme verpflichtet werden, wenn der Versicherungsnehmer nicht bei einem anderen Versicherer bereits neuen Versicherungsschutz über den Basistarif erhält.[12] Allerdings sind auch hier die Anforderungen sehr hoch, so dass eine einstweilige Verfügung meist abgelehnt wird.[13] Ansonsten bleibt dem Versicherungsnehmer noch die Möglichkeit, die Mehrkosten nachträglich über Schadensersatzforderungen vom vormaligen Versicherer erstattet zu bekommen.

Alternativ bliebe noch die Möglichkeit, sich nicht dem BGH anzuschließen, sondern sich auf den Standpunkt zu stellen, dass sich eine teleologische Reduktion des § 206 Abs. 1 VVG, so wie der BGH sie vornimmt, nicht hinreichend begründen lasse und sie insbesondere § 193 Abs. 6 VVG zuwiderlaufe.[14] Dann müsste der Versicherer den Versicherungsnehmer jedenfalls im Basistarif weiter versichern.

Wichtig ist schließlich auch noch, dass im Bereich der Pflegeversicherung ein noch weitgehender Kontrahierungszwang als bei Krankenkostenversicherungen besteht, und eine außerordentliche Kündigung hier wegen § 110 Abs. 4 SGB XI gar nicht möglich ist.[15]

Weil die Hürden an eine Kündigung durch den Versicherer hoch sind, sollten Sie sich im Zweifel fachlich durch einen Anwalt zu ihren Möglichkeiten beraten lassen. Sie können hierzu gerne kurzfristig einen unverbindlichen Beratungstermin in der Kanzlei Dr. Martin Riemer vereinbaren.

[1] Langheid/Wandt/Kalis VVG § 193 Rn. 29

[2] OLG Karlsruhe, r+s 2007, 24; OLG Nürnberg, Urt. v. 30.07.2020 – 8 U 49/20

[3] BGH, Urt. v. 07.12.2011 –IV ZR 105/11

[4] BGH Urt v. 07.12.2011 – IV ZR 105/11

[5] Prölss/Martin/Voit, VVG § 206 Rn. 10; OLG Nürnberg, Urt. v. 30.07.2020 – 8 U 49/20

[6] BGH Urt v. 07.12.2011 – IV ZR 105/11

[7] BGH Urt v. 07.12.2011 – IV ZR 105/11

[8] BGH Urt v. 07.12.2011 – IV ZR 105/11

[9] juris Literaturnachweis zu Rolfs/Wiemer, NJW 2012, 1370; BVerfG, Urt. v. 10.06.2009 – 1 BvR 706/08;

[10]juris Literaturnachweis zu Eichelberger, VersR 2012, 309-310

[11]OLG Nürnberg, Urt. v. 30.07.2020 – 8 U 49/20

[12] Prölss/Martin/Voit VVG § 206 Rn. 7

[13] vgl. LG Schwerin, Urt. v. 30.12.2009 – 1 O 265/09; OLG Koblenz, Urt. v. 03.02.2012 – 10 U 610/11; OLG Köln, Beschl. v. 08.08.1994 – 5 W 60/94; OLG Bremen, Beschl. v. 08.03.20012 – 3 U 42/11

[14] Prölss/Martin/Voit VVG § 206 Rn. 7

[15] vgl. BGH Urt v. 07.12.2011 – IV ZR 105/11

Erstellt am 19.01.2024.

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Christina Donat

stud. iur.