Überlastung der Justiz

Unterbesetzt und überlastet: die Krise der deutschen Justiz

1. Einführung

Die Überlastung der deutschen Justiz ist ein Problem, dass seit Jahren besteht und sich leider immer weiter verschärft. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von einem erhöhten Arbeitsaufkommen bis hin zu einem Personalmangel in vielen Bereichen der Justiz. Diese Problematik hat gravierende Auswirkungen auf die Effektivität und Effizienz der Justiz, sowie auf die Rechte und Interessen der Bürgerinnen und Bürger.

2. Ein bekanntes Problem

Beginnend ist festzuhalten, dass die Überlastung der deutschen Justiz keine neu auftretende Erscheinung darstellt. Seit Jahren kämpft diese mit bekannten Schwierigkeiten, die sich aber eher zu verschlimmern scheinen, als das tatsächliche Entlastung in Sichtweite wäre.

Im Hinblick auf die die wesentlichen Kernaspekte der Problematik, hat es in den letzten Jahren wenig positive Veränderungen gegeben.

Im Gegenteil, steuert die deutsche Justiz geradewegs auf einen Kollaps hin? Die Judikative ist die dritte Gewalt im Staat und soll im Zweifelsfall auch die Arbeit von Regierung, Parlament und Verwaltung kontrollieren. Ist der deutsche Rechtsstaat somit schon jetzt in Teilen nicht mehr vollständig funktionsfähig?

3. Die grundlegenden Probleme

Wie bereits dargelegt, ist das Hauptproblem der Debatte die drastische Überlastung, der sich die deutsche Justiz ausgesetzt sieht. Die Gründe für diese sind vielfältig. Ein wichtiger Aspekt ist der Anstieg der Verfahrensanzahl in den letzten Jahren. Dies liegt unter anderem an der steigenden Anzahl von Streitigkeiten im Bereich des Zivil- und Verwaltungsrechts, aber auch an einer Zunahme von strafrechtlichen Verfahren.

Die Auswirkungen der Überlastung der Justiz sind erschreckend. An dieser Stelle ist es wichtig, einmal die Dimension dieses Ausmaßes zu begreifen. Gesprochen wird hier von Verfahren, die sich nicht über Wochen oder Monate, nein, teils über mehrere Jahre hinweg strecken, wodurch der Sinn und Zweck einer Angelegenheit oftmals verfehlt wird. Es kommt zu solch langen Verfahrensdauern, die nicht nur die Betroffenen belasten, sondern auch die Gerechtigkeit in Frage stellen können. Lange Verfahrensdauern führen dazu, dass Beteiligte ihre Rechte nicht zeitnah durchsetzen können und so das Funktionieren des Rechtssystems infrage gestellt werden muss. Auch für Unternehmen kann dies eine ähnliche Beeinträchtigung darstellen, da sie beispielsweise bei gerichtlichen Auseinandersetzungen oft auf eine schnelle Entscheidung angewiesen sind. Am anschaulichsten lässt sich dieser untragbare Zustand jedoch am Beispiel der Strafverfolgung feststellen.

So mussten in den letzten Jahren mehrere hundert Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil das Strafverfahren zu lange dauerte. Dies bedeutet im Klartext, dass ein mutmaßlicher Straftäter frei und unbestraft herumlaufen kann, weil die Justiz mit ihrer Arbeit nicht hinterher kommt. Eine funktionierende Justiz sieht anders aus.

Ein die Überlastung weiter antreibender Faktor ist der in vielen Bereichen der Justiz vorherrschende Personalmangel. Hier sind sowohl Richterinnen und Richter als auch Justizangestellte betroffen. Dieser Mangel dürfte durch eine Pensionierungswelle, bei der bis 2030 schätzungsweise 10.000 Richter und Staatsanwälte in Rente gehen werden, nochmals verschärft werden. Der unter der schwarz-roten Koalition, mittels des so genannten “Pakts für den Rechtsstaat“ finanzierte Personalzuwachs, scheint nicht auszureichen. Vielmehr sind die Stellenzuwächse durch neue gesetzliche Aufgaben bereits wieder aufgezehrt.

Doch genauso wie der Personalmangel durch ausscheidende Arbeitskräfte angetrieben wird, fehlt es an jungen nachkommenden Fachkräften. Obwohl in den letzten Jahren die Anforderungen gesenkt wurden, finden sich immer noch nicht genügend junge Juristen, die als Richter oder Staatsanwalt ihre Karriere beginnen wollen. Warum auch, wenn volle Arbeitstage an einem nicht digitalisierten Arbeitsplatz zur Regel werden und das Einstiegsgehalt in der Privatwirtschaft, also beispielsweise bei vielen Großkanzleien, mit knapp 100.000 € im Jahr doppelt so hoch ist, wie das Anfängergehalt von 50.000 € in der Justiz? Die freie Wirtschaft bietet so häufig die attraktiveren Jobs. Nicht umsonst wird die Richterbesoldung von der EU-Kommission und dem Deutschen Richterbund kritisiert.

Des weiteren haben die schlechten Arbeitsbedingungen erhebliche Auswirkung und tragen zu der beschriebenen Überlastung bei. Es fehlt nicht nur an Platz und Ausstattung, auch Sitzungssäle sind zum Beispiel Mangelware, wodurch Verhandlungen teils gänzlich abgesagt werden müssen. Hinzu kommt, dass Verfahrensabläufe zu kompliziert sind und die fehlende Digitalisierung die Arbeitsweise der Justiz zunehmend erschwert.

All diese genannten Probleme gehen zu Lasten der Justizmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Die hohe Arbeitsbelastung führt zu einem hohen Stresslevel, der wiederum negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kann. Nicht verwunderlich ist, dass die krankheitsbedingte Ausfallquote hoch ist. Auch dies wird sich langfristig auf die Qualität der Arbeit auswirken.

4. Was muss getan werden?

Um die Überbelastung der Justiz zu reduzieren, müssen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Zunächst bedarf es weiterhin einer Erhöhung der Zahl der Richterinnen und Richter sowie der Justizangestellten. Dies kann nur durch eine Attraktivitätsoffensive für den Nachwuchs erreicht werden. Der Beruf des Staatsanwalts und des Richters muss wieder interessanter gemacht werden, nicht zuletzt durch eine Anpassung der Vergütung. Ohne ausreichend Personal kann das Problem nicht bewältigt werden

Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Überlastung der Justiz ist die Förderung von digitalen Lösungen zur Prozessbeschleunigung. Hierzu gehören beispielsweise elektronische Akten, Online-Verfahren oder Video-Konferenzen. Solche digitalen Lösungen könnten dazu beitragen, Verfahren schneller und effizienter durchzuführen und somit die Arbeitsbelastung der Justiz zu reduzieren.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Justizbehörden zu verbessern. Eine engere Zusammenarbeit kann dazu beitragen, dass Verfahren schneller und effektiver durchgeführt werden können. Auch die Zusammenarbeit zwischen Justiz und anderen Akteuren wie beispielsweise der Polizei oder der Verwaltung kann dazu beitragen, Verfahren zu beschleunigen und effektiver durchzuführen. So stellt sich die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, Abläufe zu optimieren oder durch bestimmte neue prozessuale Instrumente zu vereinfachen.

5. Fazit

Das Vertrauen der Deutschen in ihr Rechtssystem ist groß (vor allem derjenigen, die mit ihm noch nicht zu tun hatten), aber es scheint zu bröckeln. Wenn Gerichtsverhandlungen ausfallen und Urteile nicht gesprochen werden, können die Konsequenzen jeden treffen, der eines Rechtsstaates bedarf. Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht gänzlich zu verlieren und einen fortschreitenden Ausfall der Justiz zu vermeiden, ist es nun wichtig, dass die Politik diese Problematik ernst nimmt und konkrete Maßnahmen ergreift, um die Belastung der Justiz zu reduzieren, nicht zuletzt mit einer ausreichenden Finanzierung dieser.

Quellen:

  • Fatina Keilani, 05.07.2019, Justiz vor dem Koolaps?, in: Tagesspiegel
  • Marc Tawadrous, 17.11.2021, Fachkräftemangel in der Justiz, in: Tagesspiegel
  • Meinungsumfrage: Drei von vier Bürgern halten Gerichte für zu stark belastet. In: Legal Tribune Online, 24.02.2023
  • Forderung des Deutschen Richterbundes: Mehr Personal für schnellere Verfahren. In: Legal Tribune Online, 06.01.2023
  • Klagewelle von Flüchtlingen: Verwaltungsgerichte völlig überlastet. In: Legal Tribune Online, 14.08.2017
  • Belastung in der Justiz muss reduziert werden, SPD-Fraktion-NRW.de, Sonja Bongers (Rechtspolitische Sprecherin), 25.8.2022
  • Umfrage bei Länder-Justiz: Überlastet ins neue Jahr, ver.di-Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft,bund-laender-nrw.Verdi.de
  • Justiz vor dem Kollaps? Immer mehr Gerichte klagen über Personalnot, Deutschlandfunk, eine Sendung von Barbara Weber und Michael Roehl, 04.10.2017
  • Justiz an der Belastungsgrenze, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.01.2019
  • Rechtsstaat in Nöten, Süddeutsche Zeitung, 02.01.2019

Erstellt am 28.02.2023

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Leander Merzbach

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