Werden attraktive Menschen bevorzugt?
Wann nehmen wir Menschen als attraktiv wahr?
Immer wieder hört man, dass es schöne Menschen im Leben einfacher haben, sei es in der Arbeitswelt, beim Knüpfen von Freundschaften, in der Schule oder sogar vor Gericht. Eine Erhebung der Federal Reserve Bank of St. Louis hat ergeben, dass attraktive Menschen fünf Prozent mehr als der Durchschnitt und neun Prozent mehr als unattraktiv wahrgenommene Personen verdienen. Weniger attraktive Angeklagte werden vor Gericht sogar häufiger verurteilt und bekommen längere Strafen. Welche Attribute bei einer Person vorhanden sein müssen, um von anderen als attraktiv wahrgenommen zu werden, ist jedoch heiß umstritten.
Mit dieser spannenden Thematik beschäftigt sich die Attraktivitätsforschung. Im Rahmen dieser Forschung haben sich drei zentrale Theorien durchgesetzt. Nach der Durchschnittshypothese ist ein Gesicht nämlich dann attraktiv, wenn es besonders durchschnittlich aussieht. Mit durchschnittlich ist der mathematische Durchschnitt mehrerer Personen gemeint. Um zu dieser Durchschnittsperson zu gelangen, wurden Portraits von zahlreichen Personen am Computer überlagert. Dabei wurde festgestellt, dass das Durchschnittsgesicht attraktiver war als die Einzelgesichter, die darin enthalten waren. Grund hierfür ist, dass das Durchschnittsgesicht durch die Überlagerung eine makellose Haut und hohe Symmetrie aufweist. Auch nach der Symmetriehypothese ist ein symmetrisches Gesicht besonders attraktiv. Der sexuelle Dimorphismus besagt hingegen, dass geschlechtstypisches Aussehen als attraktiv gilt, mit typisch femininen Merkmalen wie kindlichen Gesichtszügen und vollen Lippen sowie typisch männlichen Merkmalen wie einem markanten Unterkiefer. Jedoch besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was Menschen sagen, wenn sie an solchen Studien teilnehmen und dem, was Menschen im echten Leben tatsächlich schön finden. Attraktivitätsforschung bedeutet nämlich in erster Linie bloß, dass Menschen auf Fragen zu Gesichts- und Körpermerkmalen ähnlich antworten.
Ist die Wahrnehmung von Schönheit genetisch bedingt?
Ebenso umstritten ist die Frage, ob Schönheit und ihre Wahrnehmung genetisch bedingt oder kulturell erlernt sind. Evolutionsbiologen einerseits und Psychologen andererseits haben jeweils gute Argumente für beide Sichtweisen, und die wahrscheinlichste Antwort ist eine Mischung aus beidem. Je öfter man ein bestimmtes Gesicht oder einzelne Merkmale wahrnimmt, desto attraktiver erscheinen diese. Das gilt auch für das Betrachten von mehreren Personen mit dem gleichen Gesichtsausdruck. Ausschlaggebend seien hier jedoch nicht die Gesichtszüge der umgebenden Umwelt, sondern individuelle Erfahrungen, wie einzigartige Begegnungen oder das Gesicht der ersten Liebe.
Was versteht man unter dem pretty privilege?
Pretty Privilege bezieht sich auf die Vorteile und Privilegien, die attraktive Menschen in der Gesellschaft genießen. Dieses Phänomen kann durch den sogenannten Halo-Effekt, erklärt werden. Dieser beschreibt, dass man Personen aufgrund ihres Aussehens bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Wenn wir das äußerliche Erscheinungsbild einer Person als schön wahrnehmen, neigen wir dazu, automatisch positive Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Erfolg und Gesundheit mit dieser Person zu verbinden. Dadurch gewähren wir attraktiven Menschen unbewusst oder sogar bewusst Vorteile und nehmen sie dementsprechend auch positiv wahr.
Hat es auch Nachteile schön zu sein?
Attraktive Menschen, insbesondere Frauen, die als besonders schön wahrgenommen werden, berichten, dass sie in einem professionellen Arbeitsumfeld von ihren Mitmenschen nicht ernst genommen werden. Die wahrgenommene Attraktivität wird mit dem Vorurteil verbunden, dass sie ihre Erfolge ganz ihrem äußeren Erscheinungsbild und nicht ihren persönlichen Kompetenzen zu verdanken hätten. Attrraktive Menschen, die sich ihrer Wirkung bewusst sind und diese ausnutzen, werden von ihren Mitmenschen ebenfalls schnell als arrogant wahrgenommen.
Wie kann man dem pretty privilege entgegenwirken?
Es ist zwar nicht möglich den ersten Eindruck, den wir von einer Person haben, zu verhindern oder zu steuern, jedoch liegt es in unserer Hand, wie viel Gewicht wir dem äußeren Erscheinungsbild einer Person beimessen. Im Arbeitsumfeld könnte der Objektifizierung von attraktiven Frauen, durch Beweise für ihre Kompetenz und Informationen über ihre Person, entegengewirkt werden. Damit wäre es möglich das pretty privilege, das damit verbundene Phänomen des Halo-Effekts und die Schattenseiten besonders hoher Attraktivität zumindest abzuschwächen. Attraktive Menschne wirken und hinterlassen einen positiven ersten Eindruck. Solch eine positive Wirkung kann auch durch Charaktereigenschaften, wie Humor, Empathie und Kommunikationsfähigkeit erzielt werden. Mit einer charismatischen Persönlichkeit und einem gepflegten äußeren Erscheinungsbild kann man auch überzeugen.
Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer