Problematik der Arbeitskleidung: Ist sie verpflichtend und wer kommt für sie auf?

Darf der Arbeitgeber Arbeitskleidung vorschreiben?

Was ist Arbeitskleidung?

Arbeitskleidung ist zunächst diejenige Kleidung, die während der Arbeit getragen wird. Es gibt Arbeitnehmer, die frei über Ihre Kleiderwahl am Arbeitsplatz entscheiden können, so zum Beispiel Arbeitnehmer im Homeoffice. Allerdings gibt es einige Berufsfelder, in denen eine bestimmte Arbeitskleidung vorgeschrieben ist. Es wird differenziert zwischen Arbeitskleidung, Berufskleidung und Arbeitsschutzkleidung.

Arbeitsschutzkleidung

Arbeitsschutzkleidung basiert auf klaren Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz und soll die Sicherheit der Arbeitnehmer garantieren und somit vor Gefahren schützen. Beispielweise ist für Angestellte bei der Feuerwehr eine entsprechende Arbeitsschutzkleidung lebensnotwendig und deshalb vorgeschrieben.

Arbeitskleidung und Berufskleidung

Arbeitskleidung wird anstelle, in Ergänzung oder zum Schutz der Privatkleidung bei der Arbeit getragen. Sie ergänzt oder dient dem Schutz der Privatkleidung. Wichtig ist, dass weder Arbeits- noch Berufskleidung eine spezifische Schutzfunktion haben.

Was darf der Arbeitgeber vorschreiben?

Dem Arbeitgeber steht gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO) ein Weisungsrecht hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit zu. Das bedeutet, dass es im Ermessen des Arbeitgebers steht, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu konkretisieren, aber fällt darunter auch das Vorschreiben der Arbeitskleidung?

Kann Arbeitskleidung vorgeschrieben werden?

Ob Arbeitskleidung vorgeschrieben werden kann, hängt u.a. damit zusammen, ob in dem jeweiligen Unternehmen ein Betriebsrat besteht. Sollte es einen Betriebsrat geben, hat der Gesetzgeber diesem ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorbehalten. Für den Fall, dass Arbeitgeber und Betriebsrat zu keiner Einigung kommen, wird die Einigungsstelle hinzugezogen. Diese ist jedoch mit Kosten für den Arbeitgeber verbunden, weshalb der Arbeitgeber oftmals an einer beidseitigen Einigung schon im Vorfeld interessiert ist. Allerdings kann das Direktionsrecht des Arbeitgebers auch Vorgaben zum Aussehen umfassen. So kann beispielsweise, soweit es hygienische Gründe rechtfertigen, Vorgaben zu der Länge und Farbe der Fingernägel oder entsprechende sichtbare Piercings gemacht werden. Dies ist beispielsweise nicht untypisch in Pflegebranchen, wie auch das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.02.2019 (1 Ca 1909/18) bestätigt hat. Dort hatte eine Helferin, welche im sozialen Dienst beschäftigt war, gegen die neue Dienstanweisung geklagt, welche das Tragen langer/lackierter Fingernägel sowie Gelnägel während der Arbeitszeit untersagt hat. Das Arbeitsgericht Aachen hielt die Klage allerdings für unbegründet, da die zugrundeliegende Dienstanweisung durch das zustehende Weisungsrecht der Arbeitgeberin rechtskonform ausgeübt wurde.

Verstößt bestimmte Arbeitskleidung gegen das Gleichbehandlungsgesetz?

  • 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schreibt vor, dass Ziel dieses Gesetzes ist, die Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern.

Trotz dieses Gesetzes kommt es nicht selten vor, dass sich Arbeitnehmer und besonders Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz aufgrund bestimmter Vorgaben zu ihrer Kleidung diskriminiert fühlen.

In einem Urteil des LAG Köln (12 Ca 8658/10) vom 29.10.2012 wurde entschieden, dass die Klage eines Piloten wegen sexueller Diskriminierung zulässig war und somit die Dienstanweisung ,,Die Cockpit-Mütze ist in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen“, welche ausschließlich für Männer galt, unzulässig war, da sie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) / Benachteiligungsverbot verstieß.

Was war passiert?

Der Kläger war als Pilot bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Die Betriebsvereinbarung sah unter anderem ausschließlich für Männer vor, die Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen. Allerdings wurden weibliche Pilotinnen durch diese Betriebsvereinbarung nicht verpflichtet, ebenso die Cockpit-Mütze zu tragen. Der Kläger hielt dies für einen Verstoß gegen das Verbot sexueller Diskriminierung. Hinzu kam, dass der jeweilige Kommandant im konkreten Fall darüber entscheiden durfte, ob der männliche Pilot die Cockpit-Mütze tragen musste oder nicht. Das Gericht kommt zu dem Entschluss, dass es ,,keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Verpflichtung zum Tragen der Cockpit-Mütze gab“. Der Arbeitgeber besaß zwar gem. § 106 GewO ein Weisungsrecht, dieses wurde jedoch durch das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG und § 75 Abs. 1 BetrVG eingeschränkt:

Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG sei dann gegeben, wenn ein Beschäftigter durch einen in § 1 AGG aufgezählten Grund benachteilig würde. Dies läge insoweit vor, als die Benachteiligung nicht mithilfe der §§ 8 bis 10 AGG gerechtfertigt werden konnte bzw. nicht nach § 5 AGG zulässig war.

Die Beklagte rechtfertigte die im Streit stehende Klausel der Betriebsvereinbarung damit, dass die Zugehörigkeit der Cockpit-Mütze bei männlichen Piloten bereits historische Hintergründe habe und sie der Erwartung der Öffentlichkeit entspreche. Zudem sei die Cockpit-Mütze nicht mit jeder Frisur des weiblichen Personals vereinbar, weshalb die Vorschrift für Pilotinnen nicht verpflichtend war. Bei männlichen Piloten sei sie jedoch mit jeder Frisur vereinbar, weswegen sich die Problematik der Friseurempfindlichkeit dort nicht in gleichem Umfang stelle.

Diese Begründung überzeugte das Landesarbeitsgericht jedoch nicht.

Weitere Fälle

Nach der hier vertretenen Auffassung werden viele Frauen in spezifischen Berufsbranchen aufgefordert, hohe Schuhe zu tragen. Nicht untypisch ist eine solche Aufforderung bei Messehostessen. Männer hingegen werden nicht aufgefordert, Absätze zu tragen. Nicht nur, dass hohe Schuhe nach mehreren Stunden mehr als unbequem sind, sind sie auf Dauer auch gesundheitsschädlich.

Aber auch im Sport ist diskriminierende/sexistische Kleidung längst Rubrik geworden. Gerade Frauen leiden unter der oft benachteiligen Kleiderordnung im Sportbusiness. So sei es beispielsweise beim Turnen üblich, dass Frauen kurz und enganliegende Turnanzüge tragen sollten, während Männer in Steghosen, welche nicht eng anliegen, turnen dürfen.

„Wenn nur minimal was verrutscht, dann sieht jeder mehr, als er sehen sollte“.

Mit diesem Gedanken schlagen sich viele Turnerinnen herum. Gerade bei wichtigen Wettbewerben, die mit vielen Fotografen verbunden sind, ist es eine extreme Last zu wissen, dass jede Übung genauestens fotografiert und veröffentlicht wird. „Es ist kein schönes Gefühl, bei einer Grätsche oder einem Spagatsprung direkt in den Schritt gefilmt zu werden, während man ein knappes Trikot trägt“, so Kim Bui, im Mehrkampffinale. Unter anderem die deutsche Turnerin Sarah Voss setzte bei der Europameisterschaft in Basel ein Zeichen gegen die Diskriminierung der Turnerrinnen. Sie kam im Ganzkörperanzug zum Wettkampf. Warum sich viele Sportlerinnen nicht trauen, gegen solche Ungleichbehandlungen vorzugehen, liegt auf der Hand: Sie haben Angst. Angst davor, Ihren Posten zu verlieren, Angst davor, in einem Vorstand der überwiegend aus Männern besteht, Ihre Meinung kundzutun und für Ihre Rechte zu kämpfen.

Ein weiterer Vorfall ereignete sich bei der Frauen Beachhandball-EM 2021. Handballerinnen des norwegischen Teams sahen es nicht ein, in kurzen Bikini-Höschen zu spielen und trugen stattdessen Shorts. Sie wurden mit einer Geldstrafe von 1.500 € bestraft.

 

Wer zahlt die vorgeschriebene Arbeitskleidung?

Für gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidungkleidung, beispielsweise zu Schutzzwecken, ist der Arbeitgeber verpflichtet, für diese aufzukommen. Fehlt jedoch eine Verpflichtung, kann vorbehaltlich einer entgegenstehenden kollektivrechtlichen Regelung auch vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer sich an den Kosten beteiligt. Es gibt allerdings auch hierzu Ausnahmen. Am sinnvollsten erscheint es, dazu im Arbeitsvertrag eine Regelung zu treffen.

Ein Beitrag von Antonia Tabea Hoff.

 

Antonia Tabea Hoff

Antonia Tabea Hoff

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