Buchbesprechung

Im September 2018 veröffentlichte Dr. Patrick Burow seine kritische Auseinandersetzung im Langenmüller Verlag. Der Autor ist Amtsrichter für Strafsachen in Dessau. Zuvor war er Staatsanwalt, Insolvenzrichter und Jugendstrafrichter. In Monografie mit dem Titel „Justiz am Abgrund – Ein Richter klagt an“,  weist er mit anschaulichen Beispielen untermauert auf die Probleme hin, welchen sich die Justiz ausgeliefert sieht. Diese führt er ganz überwiegend auf den aus finanziellen Einsparungen resultierenden Personalmangel zurück. Die Gliederung erfolgt in sechs auf eine Einleitung folgende Kapitel.

Das erste Kapitel, „Justiz am Limit“, erklärt anschaulich die Ursachen für den Zeitmangel, welchem sich vor allem Richter ausgesetzt sehen. Dabei sticht besonders die weite Kluft zwischen der „optimalen“ und der tatsächlichen Bearbeitungszeit, die ein Richter von der Aktendurchsicht bis zur Entscheidung benötigt, hervor.

Im zweiten Kapitel, „Milde Strafen durch die Kuscheljustiz“, werden anhand einiger Urteile die Diskrepanzen zwischen dem, was die Bevölkerung für ein angemessenes Strafmaß hält und dem letztendlichen Ergebnis dargestellt. Die Gesetze und die von ihnen vorgegebenen Strafrahmen seien dabei „hart“ genug, nicht jedoch die höchstrichterliche Rechtsprechung.

Der Autor verleiht im dritten Kapitel, „Härte nur bei Bußgeldern“, seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass dagegen Verkehrsverstöße, häufiger verfolgt und verhältnismäßig härter bestraft werden, als alle anderen Delikte. Der Grund dafür läge in den finanziellen Vorteilen, die mit ihrer Verfolgung einhergehen.

Im vierten Kapitel, „Folgen der Überlastung“, wird das Augenmerk vermehrt auf die Strafgerichte und die Staatsanwaltschaft gelenkt. Die Folgen ihrer Überbelastung und damit Handlungsunfähigkeit sind gerade in diesem Bereich besonders drastisch und stoßen in der Bevölkerung auf Unverständnis.

Im fünften Kapitel, „Wo der Rechtsstaat auch nicht mehr funktioniert“, werden Probleme, wie eine Zwei-Klassen-Justiz, zu geringe Strafen für jugendliche Intensivtäter, Mehrbelastung der Strafgerichte durch neue Straftatbestände und steigende Ausländerkriminalität und der Autoritätsverlust der Justiz aufgegriffen. Zudem nimmt der Autor zu seiner persönlichen Auffassung von Gerechtigkeit Stellung.

Beim sechsten und letzten Kapitel, „Zukunft der Justiz“, ist der Name Programm: Die Justiz stehe in Zukunft vor Herausforderungen, wie Terrorismusverfahren, Cyberkriminalität, Ausstattung mit moderner Technik – insbesondere, um die elektronische Akte zu gewährleisten – und einer erwarteten Pensionierungswelle unter Richtern und Staatsanwälten. Anschließend werden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

In den sich daran anschließenden Anmerkungen gibt der Autor die Quellen der mit über 180 Fußnoten versehenen Thesen und Statistiken an. Dies verleiht nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern erspart dem interessierten Leser zudem die Eigenrecherche.

Das Buch beabsichtigt, sowohl Juristen, als auch Nichtjuristen anhand von Zahlen und mit Quellen belegten Fakten einen Einblick in die aus Sparmaßnahmen in der Justiz resultierenden Probleme zu geben. Besonders überzeugend ist die anschauliche Aufarbeitung  komplexerer Problemfelder durch praxisnahe Beispiele gerade für Nichtjuristen. Diese tragen dazu bei, den Leser mitzureißen, sich mit dem Autor über bestehende Widersprüche, abwendbare Katastrophen und fehlende Einsichtsfähigkeit seitens der Politik zu ärgern. Dem Leser wird Gelegenheit gegeben, auch mal hinter die Kulissen des Gerichtsalltages zu blicken. Denn nur, wer diese Hintergründe vor Augen hat, kann die Kritik des Autors daran nachvollziehen.

Das Werk erscheint insbesondere für alle verfasst worden zu sein, die sich ärgern und dies auch weiterhin tun möchten. Gleichzeitig ist es aber auch ein Denkanstoß für die Politik. Humoristische Elemente bilden das nötige Gegengewicht zu der doch sehr kritischen Grundhaltung im Gesamtwerk.

Zu Beginn des Werkes, d.h. in der Einleitung und im ersten Kapitel, weist die Monografie für den kritischen Leser Schwachstellen auf. Er wird scheinbar überrannt von Aufzählungen scheinbar katastrophaler Zustände. Erst im letzten von sechs bis zum Rand mit Kritik gefüllten Kapiteln werden dem Leser Lösungsmöglichkeiten vor Augen geführt. Leider werden jedoch keine konkreten Vorschläge für deren Umsetzung mit an die Hand gegeben, sodass ein Gefühl der Hilflosigkeit zurückbleibt. Spätestens jetzt ist dem Leser bewusst, dass „die Uhr tickt“. Sowohl für die amtierenden Richter bei ihrer täglichen Arbeit, als auch dafür, dass Reformen in der Justiz auf Ebene des Personals und deren Ausstattung, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, dringend erforderlich wären.

Ein Beitrag von Nele Kesner.

Erstellt am 12.10.2020

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