Dr. Riemer – Weitere Rechtsgebiete

Uniwagnis – verlässliche Datenbank oder verdeckte Diskriminierung

I. Begriff und Aufgabe

Uniwagnis ist ein Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) und stellt eine EDV-Datenbank dar, die in Hamburg im Jahr 1993 von Gesamtverband der Versicherungswirtschaft e.V. (GdV) entwickelt wurde.

Hauptaufgabe dieser Datenbank ist es, Daten über schon versicherte Personen und Antragssteller zu sammeln, deren Versicherungsbeiträge bearbeitet, angenommen, abgelehnt oder deren Policen später gekündigt zu werden. Ziel ist es, die Versicherer vor Versicherungsmissbräuchen zu schützen.

II. Struktur des Programms

Fast alle Versicherungsunternehmen sind an Uniwagnis beteiligt. Das System ist deshalb in sieben Kategorien aufgeteilt: Kfz-, Unfall-, Rechtsschutz-, Sach-, Lebens- und Transportversicherung.

III. Bedeutung

Die Bedeutung von Uniwagnis liegt in dem Zweck der Datenbank: sie dient dazu, Versicherungsbetrüge und Missbräuche zulasten der Versicherer vorzubeugen. Zugleich bezweckt sie aber auch, versicherte oder nicht versicherte Personen, die direkt oder indirekt versuchen, den Versicherungsschutz zu ihren Gunsten auszunutzen weitgehend von der Versicherung auszuschließen. Deshalb enthält das Programm nicht nur Daten über die Versicherten selbst, sondern auch über Nicht-Versicherten, soweit sie irgendeinen Bezug zu einem Versicherungsbetrug haben oder an einen solchen teilgenommen haben.

IV. Funktion

Die Datenbank meldet jede Annahme, Ablehnung sowie jede wesentliche Änderung oder Auffälligkeit zu einem Versicherungsvertrag ein. Diese Informationen werden zunächst verschlüsselt bzw codiert. Die Datenübermittlung an Uniwagnis erfolgt erst bei einer Antragsstellung bzw Risikoprüfung, indem es zur elektronischen Datenverarbeitung kommt und die personenbezogenen Daten diesmal wiederum decodiert bzw rückgeschlüsselt werden. Aus technischer Sicht bedeutet das, dass auch Daten von Antragsstellern übermittelt werden können, die ausdrücklich diesem Vorgang widersprochen haben.

Bei laufenden Versicherungsverträgen werden Informationen zudem über ein Punktesystem gemeldet, wenn jemand eine Versicherung „zu oft“ in Anspruch nimmt, zum Beispiel, wenn man sich mehrmals im Jahr arbeitsunfähig meldet. Aus der häufigen Inanspruchnahme der Versicherung wird die Datenbank anfangen, Punkte zu vergeben. Ab dem Scorewert von 60 Punkten wird Uniwagnis eine Alarmmeldung abgeben.

V. Risiken und Gefahren

Zwar dient Uniwagnis dem Schutz der Versicherer. Dennoch müssen dabei potentielle Gefahren und Risiken für die Versicherten und Nicht -Versicherten nicht außer Acht gelassen werden.

Das erste Problem wird in der Umgehung des Datenschutzrechts gesehen, indem man sich auf die Verarbeitung und Weitergabe unmittelbar personenbezogener Daten verzichtet, die Daten aber nur teilweise anonymisiert, sodass diese innerhalb der Branche wieder rückgeschlüsselt werden können.

Des Weiteren wird kritisiert, dass bei der Sortierung nach guten, weniger guten und schlechten Risiken eine potentielle Diskriminierungsgefahr besteht. Dies hat zur Folge, dass bei Risiken, die im Schadensfall hohe Kosten verursachen und deshalb in Uniwagnis als schlecht eingestuft werden, zu einem ungerechtfertigten Ausschluss einer Person von der Versicherung oder zu einer vorweggenommenen Ablehnung des Antrags einer noch nicht versicherten Person führt. Eine Familie beispielsweise braucht zu ihrer Absicherung nicht nur Immobilienkredit, sondern auch Berufsunfähigkeits- und Risikoversicherung. Dies würde zu hohen Kosten für die Versicherer führen und die Familie würde ohne Versicherung bleiben. Aufgrund dieser Datenbank können demnach ganze Bevölkerungsgruppen von einer ihnen zustehenden Vergünstigung ausgeschlossen werden. Oft können dabei Migrationshintergrund, ethnische Zugehörigkeit sowie Alter und Geschlecht für die Aufnahme oder den Ausschluss von einer Versicherung eine Rolle spielen. Dies wäre zum einen Verstoß gegen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen und zum anderen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Versicherten aus Art.2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 des Grundgesetzes (GG), insbesondere in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, eingreifen.

Ein Gesetz, das in Grundrechte eingreift, bedarf aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes nach Art. 20 Abs.3 GG einer Ermächtigungsgrundlage. Eine solche existiert für Uniwagnis allerdings nicht. Sie beruht lediglich auf vertraglichen Absprachen der GdV-Mitglieder und wird insbesondere in vorformulierten Datenweitergabeklauseln erwähnt.

VI. Fazit

Uniwagnis ist eine der größten und undurchsichtigsten Datenbanken in Deutschland. Indem sie versucht, die Versicherer möglichst gut vor Gefahren des Missbrauchs abzuschirmen, lässt sie die Versicherten ohne hinreichenden Schutz. Um diese Nachteile auszugleichen ist eine Sondervorschrift in Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zwingend erforderlich, die GdV-Mitglieder dazu verpflichtet, die Datenverarbeitung transparenter zu gestalten und jedem potentiellen Betroffenen einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gewährt. [1]

[1] (ZRP 2009, 111, beck-online)

Erstellt am 17.03.2022

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Vyara Dinkova

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Studentische Mitarbeiterin