Apotheker haftet neben Arzt für Abgabe falscher Medikamente

Ein Fall, den das OLG Köln (Urteil 5 U 92/12 vom 7.8.2013) zu entscheiden hatte, zeigt die Tragik einer sorglosen Medikamentenabgabe in einer Apotheke auf und verdeutlicht, dass auch Apotheker Haftungsrisiken unterliegen, wenn sie ärztliche Verordnungen ungeprüft abgeben.

Der Kläger, ein an einem Down-Syndrom leidender Säugling, sollte aufgrund eines Herzfehlers operiert werden und erhielt bis dahin ein digitalishaltiges Medikament in Tropfenform. Diese Medikation kann ihrer Darreichungsform nach auch bei Kleinkindern gut dosiert werden. Der behandelnde Arzt, ein niedergelassener Kardiologe, stellte jedoch versehentlich ein von seiner Mitarbeiterin gefertigtes Rezept über die Medikation in Tablettenform aus, wobei diese Tabletten jeweils die achtfache Dosis der für diese Altersgruppe zulässigen Höchstdosis enthielten. Anders als Tropfen waren jene Tabletten nur für Erwachsene und Heranwachsende vorgesehen. Die Mutter hatte hiervon keine Kenntnis und ließ sich die Verordnung für ihr Kind in einer Apotheke aushändigen, wobei die Apothekermitarbeiterin ihr – wie verordnet – 50 Tabletten überließ und als Tipp noch mitgab, sie möge diese in Flüssigkeit auflösen und ihrem Kind einflößen. Über die dadurch dem Säugling verabreichte Dosis machte sich die Apotheke offenbar keine Gedanken. Die Verordnung wurde so ausgeführt, wie sie vom Arzt rezeptiert worden war.

Fünf Tage später erlitt der kleine Patient einen Herzstillstand und musste für 50 Minuten reanimiert werden. Es kam zu einer umfangreichen Bauch-OP und infolge der Sauerstoffunterversorgung zu einer schweren Hirnschädigung, die fünf Jahre später einen erheblichen Entwicklungsrückstand erkennen ließ, der nicht auf die genetischen Ursachen des Down-Syndroms zurück geführt werden konnte.

Das Oberlandesgericht ließ beide – Arzt und Apotheker – als Gesamtschuldner wegen grob fehlerhaften Verhaltens auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haften. Zwar sahen die Richter das überwiegende Verschulden beim Arzt, bejahten aber auch, dass ein Apotheker in grober Weise vorwerfbar pflichtwidrig handelt, wenn er ein Medikament aushändigt, das für einen Patienten erhebliche Gefahren mit sich bringt und dessen Verordnung ohne weiteres erkennbar nur auf einem Irrtum des Arztes beruhen konnte. Das Oberlandesgericht führte dazu aus, dass einen Apotheker berufsrechtliche Beratungspflichten träfen, die über die allgemeinen vertraglichen Warn- und Hinweispflichten eines Verkäufers hinausgingen.

Jedem Apotheker und jedem Angestellten einer Apotheke müsse bei der Abgabe bekannt sein, ob ein gefährliches Herzmedikament in einer bestimmten Darreichungsform für Erwachsene oder für Kleinkinder und Säuglinge bestimmt ist. Ein blindes Vertrauen auf die Verordnung des Arztes dürfe es nicht geben, denn auch ein Arzt und seine Mitarbeiter könnten sich irren, so dass ihnen ein folgenschwerer Fehler bei der Rezepterstellung unterlaufen könnte, der vom Apotheker ggf. zu korrigieren wäre. Der Apotheker müsse sich eigene Gedanken über die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit einer Verordnung machen und im Zweifel beim Arzt nachfragen. Den Apothekerinhaber träfen insoweit Organisations-, Instruktions- und Überwachungspflichten hinsichtlich seines Personals.

Gegen die Entscheidung wurde Revision zum Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 424/13) eingelegt.

Stand: 02.04.2014

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