Die Kosten von Gewaltverbrechen

Welchen Preis haben Raub, Vergewaltigung und Mord?

1. Einleitung

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 5.047.860 Straftaten erfasst, ein nicht unwesentlicher Teil davon waren Gewaltverbrechen. Und auch jetzt fallen Menschen tagtäglich Gewaltverbrechen zum Opfer. Doch wie hoch ist der dadurch angerichtete Schaden individuell und gesellschaftlich?  Oder anders gefragt: Was kosten Gewaltverbrechen?

2. Kosten für das Opfer

a) Materielle Kosten

Der materielle Schaden liegt auf der Hand. Wenn ein Dieb ein Auto stiehlt, so entsteht dem Opfer ein Schaden in Höhe des Wertes des Autos. Doch leider endet es nicht dort. Auch Anwalts- und Gerichtskosten können für das Opfer anfallen. Zusätzlich müssen Opfer von Körperverletzungsdelikten häufig jedenfalls in Teilen für Behandlungskosten aufkommen. Und es geht noch weiter. Viele Opfer verlieren nach der Tat ihren Job oder wechseln dauerhaft in einen niedriger entlohnten Beruf. So konnte nachgewiesen werden, dass Opfer nach der Tat im Schnitt 13 % weniger Einkommen haben als noch vor der Tat. Dies hängt womöglich auch damit zusammen, dass einige Opfer nach der Tat umziehen. Hierdurch entstehen abermals Kosten, die insgesamt einen Einkommensverlust begünstigen. Außerdem investieren einige Opfer nach der Tat in Sicherheitsvorkehrungen wie etwa teure Alarmanlagen, die das Einkommen der Betroffenen abermals schmälern.

b) Immaterielle Kosten

Neben den leicht identifizierbaren materiellen Kosten gibt es auch immaterielle Kosten, die regelmäßig für Opfer von Gewaltverbrechen entstehen können. Zum einen erleiden viele Opfer durch die Tat ein Trauma, wodurch sie Einschränkungen in ihrem Alltag erleiden. Doch auch Angst, Scham, Armut, Schmerzen und Isolation sowie der Verlust von Freunden und Hobbys sind häufige Begleiter für Opfer, die zu einem Verlust an Lebensqualität führen. Außerdem zeigen Studien, dass für Opfer von Gewaltverbrechen eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, erneut Opfer von Straftaten zu werden. Schließlich ist noch der Victim-Offender-Overlap zu nennen, wonach Opfer zumindest teilweise auch leichter zu Tätern werden könnten. Grundsätzlich ist damit abzuschließen, dass neben den persönlichen Ängsten von Opfern auch ein Vertrauensverlust in den Staat und die Gesellschaft einhergeht, der weitere mögliche Probleme mitbegünstigt.

3. Kosten für das direkte Opferumfeld

a) Materielle Kosten

Auch für das direkte Opferumfeld entstehen materielle Kosten. Denn häufig benötigen Opfer nach der Tat finanzielle Unterstützung durch ihr enges Umfeld. Und nicht selten wollen auch Personen aus dem direkten Opferumfeld nach der Tat in ihre eigene Sicherheit investieren, so dass Kosten für Sicherheitssysteme oder ähnliches anfallen.

b) Immaterielle Kosten

Dieses Bedürfnis, in die eigene Sicherheit zu investieren, entsteht durch Angst und Besorgnis. Häufig haben Personen aus dem direkten Opferumfeld jedenfalls in Teilen sehr ähnliche Probleme wie das Opfer selbst. Auch sie erleiden durch die Tat ein Trauma. Der Umstand, dass das Opferumfeld das traumatisierte Opfer nach der Tat meist verstärkt unterstützen möchte und muss, kann auch sehr belastend für Betroffene sein. Nicht selten müssen auch Personen aus dem engen Umfeld des Opfers Psychotherapie in Anspruch nehmen.

4. Kosten für Personen aus „Opfergruppe“

a) Materielle Kosten

Nicht selten erreichen Opfergeschichten die Öffentlichkeit. Insbesondere Personen, die aus der selben „Gruppe“ wie das Opfer stammen, die also Geschlecht, Herkunft, sozialer Status, Berufsgruppe, Alter oder Ähnliches verbindet, haben häufig selbst auch Kosten nach solch einer Tat. Meist handelt es sich bei den materiellen Kosten um Investitionen für Sicherheitsvorkehrungen, dies können Alarmanlagen aber auch Pfeffersprays oder gar (legale) Waffen sein.

b) Immaterielle Kosten

Für Personen aus der Opfergruppe sind die immateriellen Kosten meist höher. Viele haben nach einer Tat Angst und schränken sich selbst (unbewusst) in ihrem Leben ein. Auch sie können somit einen Verlust an Lebensqualität erleiden.

5. Kosten für Zeugen

a) Materielle Kosten

Materielle Kosten speziell für Zeugen können aus dem Umstand heraus entstehen, dass sie die Tat live verfolgt haben. Abhängig von der Tat und der Tatbegehung kann dies eine Erfahrung gewesen sein, die den Betroffenen so aus der Bahn wirft, dass auch er seinen Beruf verliert oder seinen Wohnort wechselt. Meist werden aber wohl eher Kosten für Sicherheitsvorkehrungen anfallen.

b) Immaterielle Kosten

Zeugen erleiden nicht selten selbst ein Trauma. Teilweise bedürfen auch sie nach einer Tat psychologischen Beistand.

6. Kosten für den Täter

a) Materielle Kosten

Doch nicht nur auf Opferseite entstehen Kosten, auch für den Täter werden regelmäßig Kosten anfallen. Zum einen sind in der Regel die Anwalts- und Gerichtskosten von ihm zu tragen. Dazu kommt, dass auch Täter häufig ihren Beruf aufgeben müssen, entweder weil sie aufgrund einer Haftstrafe dazu gezwungen sind oder aufgrund von Kündigung oder Stigmatisierung. Zudem können Täter leichter zum Wiederholungstäter werden, wodurch ihnen erneut Kosten entstehen.

b) Immaterielle Kosten

Dazu kommt, dass Täter meist gesellschaftlich „vorverurteilt“ werden. Sie können sich nach einer Haftstrafe schlechter wieder in die Gesellschaft eingliedern und brauchen meist professionelle Unterstützung. Viele Freunde oder Familienmitgliedern wenden sich ab, sodass der Täter zunehmend isoliert wird. Zudem haben viele Täter auch psychische Probleme, die entweder schon vor der Tat bestanden oder sich erst nach der Tat, etwa im Gefängnis manifestiert haben.

7. Kosten für das direkte Täterumfeld

a) Materielle Kosten

Auch das direkte Täterumfeld trifft materielle Kosten. So wird der Täter regelmäßig von seinem Umfeld Unterstützung brauchen, ob es die Zahlung einer Geldstrafe betrifft oder die finanzielle Unterstützung nach einer Haftstrafe. Zudem kann es auch passieren, dass das direkte Täterumfeld vereinzelt aufgrund von Stigmatisierung Wohnortswechsel oder Berufswechsel vornehmen muss.

b) Immaterielle Kosten

Außerdem ist auch eine Stigmatisierung des Täterumfelds möglich. Häufig wird der enge Kreis des Täters gleich mitverdächtigt. Gesellschaftlich ist es schwierig, dieses Label wieder loszuwerden. Zudem verliert das Täterumfeld einen Freund oder ein Familienmitglied und muss damit leben, dass jemand dem sie nahestanden zu der begangenen Tat fähig war. Auch dies kann Schwierigkeiten bereiten und muss teilweise durch Therapie begleitet werden.

8. Kosten für unschuldige verdächtigte Personen

a) Materielle Kosten

Personen, die zwar unschuldig sind, aber trotzdem verdächtigt werden, haben es ebenfalls nicht leicht. Auch ihnen drohen häufig Jobverlust oder Umzug.

b) Immaterielle Kosten

Zudem wird für sie die Partizipation am gesellschaftlichen Leben zunehmend schwerer, da sie häufig Opfer von Diskriminierung sind. Auch ein Verlust von Vertrauen in die Justiz und den Staat ist keine Seltenheit. Teilweise ist der Leidensdruck so hoch, dass betroffene Personen gar Depressionen oder andere psychische Probleme entwickeln können.

9. Kosten für Staat und Gesellschaft

a) Materielle Kosten

Auch den Staat und die Gesellschaft treffen kosten. Die Polizei, die Gerichte, die Verwaltung und die Justizvollzugsanstalten müssen alle gezahlt werden. Solche Verfahren sind teuer, ein Mord kann die Gesellschaft etwa eine Millionen Euro kosten. Zudem sind manche Taten Anlass für Gesetzesänderungen oder politische Debatten, auch dies kostet Geld. Dazu kommt, dass der Arbeitsausfall von Täter und Opfer im Beruf den Staat und die Gesellschaft finanziell weiter schwächt.

b) Immaterielle Kosten

Doch auch immaterielle Kosten können für die Gesellschaft entstehen. Bürger verlieren ihr Vertrauen in den Rechtsstaat und wenden sich radikaleren oder polarisierenden Bewegungen zu. Auch werden Bürger ängstlicher; Personen, die der Tätergruppe angehören, werden vorverurteilt, so dass es im schlimmsten Szenario sogar zu einer gesellschaftlichen Spaltung kommen kann.

10. Ergebnis

Die Kosten von Gewaltverbrechen lassen sich nicht genau beziffern und variieren womöglich stark abhängig vom Straftatbestand. Allerdings sind die Kosten keinesfalls zu unterschätzen, denn grade die immateriellen Kosten sind meist jene, unter denen Betroffene am stärksten Leiden.

11. Quellen

https://portal.uni-koeln.de/es/universitaet/aktuell/koelner-universitaetsmagazin/unimag-einzelansicht/die-kosten-von-gewaltverbrechen

https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/15921/3/2008_Schleiniger_Kosten_der_Kriminalitaet.pdf

https://www.sueddeutsche.de/leben/verbrechen-herr-nedopil-gibt-es-boese-menschen-1.3222888-3

Erstellt am 22.03.2023

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Christina Donat

stud. jur.