Ist der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung ein anderer, als in den Bedingungen für die Berufsunfähigkeits- und Krankentagegeldversicherung?
- Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung (SGB V)
- Arbeitsunfähigkeit iSd § 44 I 1 SGB V liegt vor, wenn die versicherte Person aufgrund von Krankheit ihre zuletzt ausgeübte oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin ausführen kann, dass dies zur Verschlimmerung der Erkrankung führt.
Die Arbeitsunfähigkeit endet idR mit Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit.
- Bezugspunkt der Arbeitsunfähigkeit:
Welche „Arbeit“ der Bezugspunkt der Unfähigkeit ist, hängt vor allem von dem Versicherungsverhältnis ab. Das (konkrete) Versicherungsverhältnis bestimmt, ob nur die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit, gleich geartete Tätigkeiten oder sonstige Tätigkeiten maßgeblich sind.
- Anzeigepflicht:
Gem. § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und bei einer über drei Kalendertage hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am ersten Arbeitstag nach dieser Frist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
- Der Begriff Arbeitsunfähigkeit in der privaten Krankentagegeldversicherung (VVG)
- Arbeitsunfähigkeit iSd § 1 Abs. 3 MB/KT liegt vor, wenn die versicherte Person ihre konkrete berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.
§ 192 Abs. 5 verlangt eine Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit (vgl. Rn. 20 f.) oder eines Unfalls
Wenn der VN trotz ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit seinen Beruf tatsächlich ausübt, so kann dies als Indiz gewertet werden, dass er in Wirklichkeit nicht (völlig) arbeitsunfähig ist.
- Bezugspunkt der Arbeitsunfähigkeit:
Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an.
- Anzeigepflicht:
Gem. § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und bei einer über drei Kalendertage hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am ersten Arbeitstag nach dieser Frist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
Zum Vergleich werden aus den juristischen Kommentaren nachfolgende Fundstellen referiert:
Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der Sozialversicherung (SGB V)
Arbeitsunfähigkeit iSd § 44 Abs. 1 S. 1 SGB V liegt vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine gleichartige Tätigkeit aufgrund seines objektiven Gesundheitszustands nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seiner Erkrankung ausführen kann. Dies gilt auch bei Dauerleiden.
BeckOGK/Schifferdecker, 15.11.2024, SGB V § 44 Rn. 99, beck-online; Becker/Kingreen/Joussen, 9. Aufl. 2024, SGB V § 44 Rn. 11, beck-online; Conze/Karb/Reidel/Hahn/Krellig PersB, Arbeitsunfähigkeit Rn. 1, beck-online.
Welche Tätigkeit der Bezugspunkt der Unfähigkeit ist, hängt vor allem von dem Versicherungsverhältnis ab. Das konkrete Versicherungsverhältnis bestimmt, ob nur die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit, eine gleichartige Tätigkeit oder sonstige Tätigkeiten maßgeblich sind.
BeckOGK/Schifferdecker, 15.11.2024, SGB V § 44 Rn. 99, beck-online.
Die Regelungen zu den Anzeige- und Nachweispflichten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit ergeben sich unmittelbar aus § 5 EFZG. Gem. § 5 Abs. 1 EFZG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und bei einer über drei Kalendertage hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am ersten Arbeitstag nach dieser Frist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Das bedeutet, dass am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen ist. Verletzt der Arbeitnehmer diese Pflichten, so hat der Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 EFZG. Zudem kann die Nichtbeachtung dieser Pflichten zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall zur ordentlichen Kündigung führen
Die Arbeitsunfähigkeit endet idR mit Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit.
Becker/Kingreen/Joussen, 9. Aufl. 2024, SGB V § 44 Rn. 12, beck-online.
Der Begriff Arbeitsunfähigkeit in der Privatversicherung (VVG)
Eine Arbeitsunfähigkeit iSd der MB/KT (§ 1 Abs. 3) liegt vor, wenn die versicherte Person ihre konkrete berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht (BGH VersR 1993, 297). Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten an (BGH VersR 2011, 518; VersR 2007, 1260).
Langheid/Rixecker/Muschner, 7. Aufl. 2022, VVG § 192 Rn. 37, beck-online.
§ 192 Abs. 5 VVG verlangt eine Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit (vgl. Rn. 20 f.) oder eines Unfalls (vgl. Rn. 43 ff.)
Prölss/Martin/Voit, 32. Aufl. 2024, VVG § 192 Rn. 180, beck-online.
Wenn der Versicherungsnehmer trotz ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit seinen Beruf tatsächlich ausübt, so kann dies als Indiz gewertet werden, dass er in Wirklichkeit nicht (völlig) arbeitsunfähig ist.
Prölss/Martin/Voit, 32. Aufl. 2024, VVG § 192 Rn. 189, beck-online.
Rechtsanwalt Dr. Martin Riemer
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht
