Wie wird die Rahmengebühr RVG VV 3102 von den Sozialgerichten bestimmt?
Bei der Bestimmung einer Rahmengebühr sollen alle Umstände, vor allem der Um-fang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers berücksichtigt werden, vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Beim Umfang ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Prozessbevollmächtigte tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache anwenden musste (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 26. Auflage 2023, RdNr. 18; Römermann in Hartung/Römermann, RVG, 2004, § 14 RdNr. 19). Bei der Bemessung des Umfangs der Angelegenheit ist das Eilverfahren jedoch nicht nur mit anderen Eilverfahren zu vergleichen, sondern im Allgemeinen Verfahren vor den Sozialgerichten gegenüber zu stellen. Die Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit in Ver-fahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat nicht anhand eines Vergleichs nur mit Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern auch unter Einbeziehung von Hauptsacheverfahren zu erfolgen, vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.10.2016 – L 15 SF 282/15. Auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist regelmäßig zunächst von der Mittelgebühr auszugehen und anhand der Kriterien des § 14 RVG zu prüfen, inwieweit ein Durchschnittsfall vorliegt. Ein grundsätzlicher Abschlag bei der Verfahrensgebühr ist weder wegen der Verfahrensart noch in Hinblick auf die Vorbefassung im erstinstanzlichen Verfahren vorzunehmen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15.11.2018, L 12 SF 124/14 E). Vorliegend erfolgte zunächst die Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nebst Begründung durch den Antragsteller selbst. Der vorgenannte Rechtsanwalt wurde das erste Mal in diesem Verfahren tätig, als das Gericht ihn anfragte, ob er mit einer Beiordnung einverstanden ist. Seine Zustimmung erfolgte handschriftlich auf der gerichtlichen Verfügung mit einem Wort. Daraufhin wurde dem vorgenannten Rechtsanwalt der bisherige Schriftverkehr zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner zugesandt. Der vorgenannte Rechtsanwalt musste sich also zunächst mit dem bisherigen Sachstand vertraut machen und die für die Bescheidung des Antrags auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II noch fehlenden Unterlagen beim Antragsteller anfordern. Auf einen Anruf des vorgenannten Rechtsanwalts hin, wurde ihm die Antragsschrift nochmals übersandt. Der vorgenannte Rechtsanwalt antwortete handschriftlich auf die gerichtliche Verfügung zur Anforderung der fehlenden Unterlagen mit einem Satz. Einen Teil der benötigten Unterlagen zur Prüfung des Leistungsanspruchs hatte der Antragsteller sodann bereits selbst schon eingereicht. Daraufhin beantragte der vorgenannte Rechtsanwalt Akteneinsicht in die Verwaltungsakte des Antragsgegners. Nachdem er Akteneinsicht genommen hatte, übersendete der Antragsteller wieder selbst Unterlagen zur Prüfung des Leistungsanspruchs. Es folgte ein anwaltliches Schreiben, das zwei Sätze umfasst, sowie ein weiteres anwaltliches Schreiben, das eine halbe Seite umfasst. Zu dem Schreiben des Antragsgegners, dass noch immer entscheidungserhebliche Unterlagen fehlten, nahm der vorgenannte Rechtsanwalt handschriftlich Stellung mit einem Satz, dass er noch auf Rückmeldung wartet. Sodann teilte er mit einem Schriftsatz, der 4 Sätze umfasst, mit, dass sich der Antragsteller bei ihm nicht mehr meldet. Das Verfahren endete sodann durch einen ablehnenden Beschluss. Weitere zeitintensive Tätigkeiten – wie etwa das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auseinandersetzen – sind nicht an-gefallen bzw. nicht belegt. Im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren liegt der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit somit deutlich im unterdurchschnittlichen Bereich.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im konkreten Verfahren ist im Vergleich zu Tätigkeiten in sonstigen Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beurteilen. Dabei sind die qualitativen Anforderungen an die Tätigkeit im konkreten Fall zu berücksichtigen, wobei nicht auf die subjektive Einschätzung des Rechtsan-waltes, insbesondere nicht auf dessen Vorkenntnisse, abzustellen ist (vgl. BSG, Ur-teil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R, a.a.O., juris Rn 32, 35), sondern es ist eine objektive Betrachtungsweise vorzunehmen. Rechtliche Schwierigkeiten sind vorliegend nicht ersichtlich. Für die Bescheidung des Antrags auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II fehlten noch Unterlagen, die der Antragsteller beizubringen hatte. Sodann hätten dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II gewährt werden können. Lediglich die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller gestaltete sich für den vorgenannten Rechtsanwalt als schwierig, da der Antragsteller nicht mit ihm in Kontakt getreten ist und die Unterlagen bei Gericht selbst eingereicht hatte. Zwar war für den vorgenannten Rechtsanwalt damit eine angemessene rechtliche Vertretung des Antragstellers nicht möglich, dennoch kann die anwaltliche Tätigkeit deshalb nicht als überdurchschnittlich schwierig erachtet werden. Die anwaltliche Tätigkeit wäre überdurchschnittlich schwierig, wenn der Rechtsanwalt mit einem menschlich schwierigen Mandanten umgehen oder Mandantengespräche in einer Fremdsprache führen musste. Auch wäre sie überdurchschnittlich schwierig, wenn Verständigungsprobleme in der Hinsicht vorgelegen hätten, dass der Mandant der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig oder er schwerwiegend seh- oder hörbehindert ist. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit liegt daher ebenfalls im unterdurchschnittlichen Bereich im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Antragsteller deutlich überdurchschnittlich. Insoweit kommt es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit, an (vgl BSG vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R – BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 37). Der Antragsteller begehrte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung seines soziokulturellen Existenzminimums.
Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind dagegen unterdurchschnittlich. Dem Antragsteller wurde Prozesskostenhilfe aufgrund seiner schlechten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gewährt.
Ein relevantes Haftungsrisiko ist aufgrund der beim Sozialgericht herrschenden Amtsermittlungspflicht nicht ersichtlich.

