Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen im Fall Corona (COVID-19)

Durch die derzeitige Schließung vieler Einzelhandelsbetriebe aufgrund der „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ vom 22.03.2020 blicken viele Unternehmen auf einen Berg von ungedeckten Kosten, die von Miete, über zu zahlende Gehälter bis hin zum Ausbleiben von Gewinn reichen. In diesem Zusammenhang sind zwei Versicherungstypen zu nennen, die einen Schutz bieten könnten.

Betriebsunterbrechungsversicherung

Auf der einen Seite steht dabei die Betriebsunterbrechungsversicherung oder auch Ertragsausfallversicherung. Diese bietet zwar für den Fall einer Betriebsunterbrechung, die auf einem versicherten Ereignis beruht und zum Ertragsausfall des Unternehmens geführt hat, einen Versicherungsschutz, doch wird in den meisten Fällen auf einen Sachschaden Bezug genommen. Dieser wird im Falle einer Infektionsschutzmaßnahme zumeist fehlen. Zwar kommt dies auf den Einzelfall des Vertrags an, da es auch einzelne weiter gefasste Versicherungsschutzbereiche gibt, doch muss dazu zumeist das Risiko der Seuchen- bzw. Infektionskrankheit ausdrücklich benannt sein.

Betriebsschließungsversicherung

Auf der anderen Seite bietet die im Gastronomie-Bereich häufig abgeschlossene Betriebsschließungsversicherung eine Möglichkeit. Gegenstand dieser Versicherung ist, dass der versicherte Betrieb durch behördliche Anordnung aufgrund einer nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit, Einbußen in Form von Mehrkosten für z. B. Desinfektion der Betriebsräume oder gar eine Betriebsschließung erfährt.

Vorliegend handelt es sich, durch die vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW erlassene Verordnung vom 22.03.2020, unzweifelhaft um eine behördliche Anordnung. Zudem ist das SARS-CoV-2 Virus zwar nicht namentlich in den §§ 6,7 IfSG als meldepflichtig aufgeführt, wurde aber durch die „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflichtigkeit“ vom 30.01.2020 mit aufgenommen. Somit sind damit die Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt.

Dennoch stellen sich nun einige Versicherungen auf den Standpunkt, dass das Coronavirus zur Zeit des Vertragsschlusses nicht Geschäftsgrundlage gewesen ist. Auch wenn dazu natürlich eine genaue Betrachtung des einzelnen Vertrags notwendig ist, wird diese Ansicht in den wenigsten Fällen überzeugend sein. Dabei muss in Bezug auf die einzelnen Verträge unterschieden werden zwischen solchen, die innerhalb der Police spezifisch Bezug auf die §§ 6,7 IfSG nehmen und solche, die nur allgemein Bezug auf diese nehmen.

Spezifischer Verweis auf das IfSG

Verweist die Police spezifisch auf §§ 6,7 IfSG so ist davon auszugehen, dass die Fortentwicklung sprachlich mit einbezogen ist. Auch wenn dies zwar im Einzelfall zu entscheiden ist, ist dort wo direkter Bezug auf Gesetzesmaterie spezifisch genommen wird, davon auszugehen, dass die Dynamik und Fortentwicklung dessen mit einbezogen ist.

Unspezifischer Verweis durch Aufzählung der Krankheiten

Im Falle einer unspezifischen Bezugnahme auf die Materie des §§ 6,7 IfSG, z. B. durch die direkte Übernahme des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegenden Katalogs ohne unmittelbare Verweisung auf das Gesetz, kann sich der Versicherer zwar auf den Standpunkt stellen, dass das Coronavirus nicht Vertragsbestandteil gewesen ist, wenn die Versicherung vor Ausbruch des Virus abgeschlossen worden ist.

Doch bringt in diesem Fall ein Blick auf den Katalog Aufschluss. So vermittelt dieser den Eindruck vollständig zu sein. Besonders im Hinblick auf den durchschnittlichen Verbraucher, der nur ein laienhaftes Verständnis von möglichen Krankheitsbildern mitbringen wird, ist von diesem nicht zu verlangen, diesen als abschließend zu betrachten. Jede neu ausbrechende Krankheit, die es de facto zum Vertragsschluss noch nicht gegeben hat, als nicht einbezogen zu betrachten, läuft dem zuwider, was der Versicherte erwarten kann, wenn er sich gegen die Beeinträchtigung seines Betriebs aufgrund meldepflichtiger Krankheiten versichert. Erneut ist zwar eine spezifische Betrachtung des Einzelvertrags notwendig, doch erscheint die Begründung, dass Corona an sich nicht zur Geschäftsgrundlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehört hat, als eher nicht zutreffend.

Öffentlich-rechtliche Ansprüche und Leistungen

Zum anderen kann im bestimmten Fall der Staat bereits zur Entschädigung verpflichtet sein, sodass diese öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüche vorrangig in Anspruch genommen werden müssen. Zwar ist in Anbetracht der Situation, die soeben noch nicht vorgelegen hat, unklar, ob auch staatliche Unterstützungsleistungen vorrangig in Anspruch zu nehmen sind, doch sollte zum jetzigen Zeitpunkt jede Möglichkeit ausgeschöpft werden.

In Betracht kommen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes wie § 56 IfSG oder eventuell der Anspruch aus enteignendem Eingriff. Bezüglich der staatlichen Fördermaßnahmen ist vor allem der vor kurzem durch das Bundeswirtschaftsministerium vorgestellte „Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen“ zu nennen. Durch diesen wird vor allem die Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes erleichtert. So kann dies schon beantragt werden, wenn 10 % der Beschäftigten vom Ausfall betroffen sind. Zudem erstattet die Bundesagentur für Arbeit die Sozialversicherungsbeiträge. Ferner kann beantragt werden die Frist für fällige Steuern, die dieses Jahr nicht gezahlt werden können, zu verlängern. Beantragt werden muss dies beim zuständigen Finanzamt. Der Antrag dazu wird auf der Internetseite der IHK München zur Verfügung gestellt.

Pflichten des Versicherungsnehmers im Schadensfall

Bezüglich der Geltendmachung gegenüber der Versicherung, die am besten gleichzeitig zur Beantragung/Geltendmachung gegenüber dem Staat geschieht, ist vor allem der individuelle Vertrag zu beachten und was dieser vorschreibt. Alle Policen werden aber gemeinsam haben, dass der Schaden unverzüglich gemeldet werden muss. Zu dieser sollte eine schriftliche Bestätigung der Behörde bezüglich der Maßnahmen beigefügt werden.

Im Fall Corona wird die Rechtsverordnung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, durch die Aktualität der Materie, genügen. In der Schadensmeldung selbst sollte der Schaden so genau wie möglich aufgelistet werden. So sollten die Kosten der Gehälter, der Miet- oder Pachtkosten usw. und eine Berechnung des ausbleibenden durchschnittlichen Gewinns beigefügt werden. Dazu sollte am besten der zuständige Sachbearbeiter hinzugezogen werden oder die Online-Schadensmeldungen der Versicherungen in Anspruch genommen werden.

Zusammenfassung

Insgesamt ist der Versicherungsvertrag in jeder Hinsicht individuell zu betrachten, also ob die Versicherung Schutz im Fall Corona gewährt, was im Schadensfall genau zu tun ist und vor allem, welche Kosten gedeckt sind. In jedem Fall ist aber rasches Handeln zu empfehlen. Zudem sollte sich zeitgleich mit der Behörde in Kontakt gesetzt werden, ob Anspruch auf staatliche Hilfe besteht oder sogar ein Anspruch gegen den Staat. Sollten bezüglich aller genannten Vorgänge Probleme oder Ungereimtheiten bestehen, so empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Anwalt.

Ein Beitrag von Denis Eistert.

Stand: 31.03.2020

Neuland- und Außenseitermethoden in medizinischen Behandlungsverhältnissen

Bei Neuland- und Außenseitermethoden besteht eine gesteigerte Aufklärungspflicht des behandelnden Arztes.

Grundsätzlich hat eine Behandlung gem. § 630a Abs. 2 BGB „nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards“ zu erfolgen, soweit „nicht etwas anderes vereinbart ist“.

Patienten sind von den behandelnden Ärzten folglich darüber in Kenntnis zu setzen, dass es sich gerade nicht um eine „anerkannten fachlichen Standards“ folgende Behandlung handelt und welche Risiken sich damit verbinden. In der sog. „Robodoc-Entscheidung“ (BGH, VI ZR 323/04, Urteil vom 13.6.2006) hat der Bundesgerichtshof hierzu festgehalten:

„Die Anwendung neuer Verfahren ist für den medizinischen Fortschritt zwar unerlässlich. Am Patienten dürfen sie aber nur dann angewandt werden, wenn diesem zuvor unmissverständlich verdeutlicht wurde, dass die neue Methode die Möglichkeit unbekannter Risiken birgt. Der Patient muss in die Lage versetzt werden, für sich sorgfältig abzuwägen, ob er sich nach der herkömmlichen Methode mit bekannten Risiken operieren lassen möchte oder nach der neuen Methode unter besonderer Berücksichtigung der in Aussicht gestellten Vorteile und der noch nicht in jeder Hinsicht bekannten Gefahren.“

Und weiter:

„Im Allgemeinen besteht eine Aufklärungspflicht nur dann, wenn ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf bestimmte mit einer Behandlung verbundene Gefahren hinweisen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseitermeinungen abgetan werden können, sondern als gewichtige Warnungen angesehen werden müssen (…) Bei einer Neulandmethode können zum Schutz des Patienten je nach Lage des Falles strengere Anforderungen gelten. Auch hier ist allerdings nicht über bloße Vermutun- gen aufzuklären. Etwas anderes kann aber gelten, wenn diese sich so weit verdichtet haben, dass sie zum Schutz des Patienten in dessen Entscheidungsfindung einbezogen werden sollten.“

In einer weiteren Entscheidung (BGH, VI ZR 203/15, Urteil vom 30.5.2017) hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung ausgebaut:

  1. Die Entscheidung des Arztes für die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode (hier: ganzheitliche Zahnmedizin) setzt eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Wohls des konkreten Patienten voraus.
  2. Bei dieser Abwägung dürfen auch die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin nicht aus dem Blick verloren werden.
  3. Je schwerer und radikaler der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten Behandlungsmethode.

Der Bundesgerichtshof verlangt also, dass den Patienten bei Neuland- und Außenseitermethoden alle Aspekte der möglichen, aber (noch) nicht anerkannten Behandlungsform vorgestellt werden (gesteigerte Aufklärungspflichten), damit diese sodann selber entscheiden können, ob sie sich darauf einlassen möchten oder nicht. Zur Beurteilung, ob die Aufklärung des Patienten diesen Anforderungen entsprach, ist im Arzthaftungsprozess ein „besonders spezialisierter Sachverständiger“ erforderlich.

Selbstverständlich gehört auch dazu, dass diese gesteigerten Aufklärungspflichten dann eine entsprechend umfassende Dokumentation der Aufklärung bedürfen, um diese im Streitfall beweisen so können. Andernfalls können gem. § 630h Abs. 3 BGB Beweiserleichterungen wegen Dokumentationsversäumnissen zugunsten der Patienten eingreifen.

 

 

 

Rücktrittsrecht der Krankenversicherung bei Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

Der Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 372/15, Urteil vom 27.4.2016) hatte über den Fall des Rücktritts einer privaten Krankenversicherung vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflicht zu entscheiden. Das Urteil zeigt mustergültig auf, wann sich ein Versicherer vom Vertrag durch Rücktrittserklärung wieder lösen kann.

Beantworten Sie Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß

Zu jedem Versicherungsantrag für eine private Krankenversicherung (wie auch für Krankentagegeld- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen) gehört, dass Versicherungen Gesundheitsfragen stellen. Sie möchten darüber kalkulieren, ob sie den Vertrag nicht, mit Einschränkungen oder nur zu erhöhten Prämien annehmen möchten. Dieses Recht steht ihnen gem. § 19 Abs.1 S.1 VVG zu:

„Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.“

Wenn zwischen dem Zeitpunkt des Antragsdatums und der Vertragsannahme durch die Versicherung (was mitunter 2 – 3 Wochen dauern kann) neue Erkrankungen auftreten, die der Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen noch nicht angegeben hat (noch nicht angeben konnte), sind diese Angaben der Versicherungsgesellschaft gem. § 19 Abs.1 S.2 VVG unaufgefordert nachzureichen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie Risiken betreffen, nach denen „in Textform“ gefragt worden ist:

„Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.“

Wie können Versicherer später feststellen, ob Gesundheitsfragen falsch beantwortet wurden?

Unrichtige oder unvollständige Angaben über Vorerkrankungen kommen dann heraus, wenn Arztbriefe, die Behandlungsdokumentation oder Abrechnungsdaten zu solchen Krankenbehandlungen der gesetzlichen Krankenkasse hierzu später bekannt werden.

  • Bei fachärztlichen Behandlungen liegt häufig eine Überweisung durch den Hausarzt vor (oder dieser erhält später von seinem Facharztkollegen einen Arztbrief zwecks Information und Anschlussbehandlung).
  • Insbesondere bei Krankenhausbehandlungen wird zumeist eine umfassende Anamnese über den Allgemeinzustand und die bislang erfolgten Krankenbehandlungen durchgeführt und dokumentiert: Diese oftmals Jahre zurückreichende Vorbehandlungsgeschichte ergibt sich dann aus der Klinikdokumentation.
  • Ärztliche Behandlungsdokumentationen sind mindestens 10 Jahre lang aufzubewahren. Dies folgt aus § 10 Abs. 3 MBO-Ä. Bei Röntgenaufnahmen beträgt die Aufbewahrungspflicht gem. § 28 Abs. 3 RöV sogar 30 Jahre.
  • Aufgrund der bei Antragstellung erteilten Schweigepflichtsentbindungserklärung können die Versicherer auf die Behandlungsdokumentationen und Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen/Krankenkassen zugreifen und diese auswerten.

Die Chance, dass unvollständige oder falsche Gesundheitsangaben, nach denen die Versicherer gefragt haben, später „auffliegen“, ist somit recht hoch.

Welche Möglichkeiten haben Versicherer, wenn sie bei der Antragstellung belogen wurden?

Es stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Die Versicherung kann – rückwirkend – vom Vertrag zurücktreten (§ 19 Abs.2 VVG).
  • Die Versicherung kann – in die Zukunft gerichtet – den Versicherungsvertrag kündigen (§ 19 Abs. 3 VVG), wenn es zwar objektiv zu falschen Antworten gekommen ist, der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat).
  • Im Falle einer „arglistigen Täuschung“ kann die Versicherung den Vertrag – rückwirkend – gem. § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB sogar anfechten.

Das Rücktritts- und Kündigungsrecht unterliegt gleichwohl gewissen Beschränkungen, wenn die Versicherung den Antrag bei vollständiger Kenntnis nicht abgelehnt, sondern zu geänderten Konditionen (z. B. höherer Beitrag, Leistungsausschlüsse) angenommen hätte: Dann bleibt der Versicherungsvertrag grundsätzlich bestehen, aber zu diesen anderen Konditionen (§ 19 Abs.4 VVG).

Außerdem gelten diese Gestaltungsrechte für die Versicherungen nur dann, wenn sie den Versicherungsnehmer in den Antragsunterlagen auf diese Folgen in Textform hingewiesen hat: Gerade hierzu sind in der Vergangenheit eine Vielzahl von Prozessen geführt worden, weil die erteilten Hinweise der Versicherungen in den Antragsunterlagen nicht immer ausreichend waren.

Muss die Versicherung bei Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung gezahlte Beiträge erstatten?

Nein. Gemäß § 39 VVG stehen dem Versicherer die gezahlten Beträge bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem der Rücktritt, die Anfechtung oder die Kündigung wirksam werden. Darin liegt ein hohes Risiko bei falschen Angaben: Der Versicherungsnehmer hat Beiträge zwar entrichtet, bekommt diese jedoch nicht zurück und hatte bei wirksamer Anfechtung auch nie Versicherungsschutz (bei der Kündigung hatte er diesen zwar; beim Rücktritt jedoch nur eingeschränkt für solche Erkrankungen, welche nicht die verschwiegenen Risiken betrafen).

Welche Möglichkeit hat der Versicherungsnehmer für eine Anschlussversicherung?

In allen drei Fällen – Rücktritt, Anfechtung und Kündigung – ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Versicherungsnehmer bei einer anderen Gesellschaft zu regulären Konditionen in einem Volltarif noch angenommen wird, da diese nachfragen wird, ob zuvor schon einmal eine private Krankenversicherung bestanden hat und wie diese endete. Kommt sodann heraus, dass und warum die Vorversicherung beendet wurde, lehnen andere Versicherungsgesellschaften die Neukunden dann regelmäßig ab.

In Deutschland besteht jedoch Versicherungspflicht (§ 193 Abs.3 VVG): Niemand darf ohne Versicherungsschutz sein. Ist die Rückkehr in eine gesetzliche Krankenkasse nicht möglich, bleibt dem Versicherungsnehmer dann nur noch die Weiterversicherung im allseits ungeliebten Basistarif. Jede andere private Krankenversicherung muss auf Antrag mit diesem Versicherungsnehmer einen Krankenversicherungsvertrag im Basistarif eingehen. Dafür kann sie jedoch nachträglich Beiträge für Zeiträume erheben, in denen der Versicherungsnehmer keinerlei Versicherungsschutz hatte.

Ein Anspruch gegen dasjenige Versicherungsunternehmen, das den Vorvertrag wegen unrichtiger Gesundheitsangaben beendet hat, dort in den Basistarif übernommen zu werden, besteht hingegen nicht.

Wer hat Schuld an der Auflösung oder dem Nichtzustandekommen des Versicherungsvertrages?

In einer nicht geringen Zahl an Fällen traf die Antragsteller selber kein Verschulden. Sie waren vielmehr von Versicherungsvermittlern schlecht beraten worden. Das Gesetz unterscheidet in § 59 VVG zwischen „Versicherungsvertreter“ und „Versicherungsmakler“.

  • Der „Versicherungsvertreter“ steht im Lager der Versicherung, wo er zumeist angestellt ist oder als Agentur für sie arbeitet: Hat dieser beim Abschluss falsch beraten, fällt sein Verschulden unmittelbar auf die Versicherungsgesellschaft zurück, so dass eine Loslösung vom Vertrag nicht in Betracht kommt.
  • Der „Versicherungsmakler“ hingegen wird vom Antragsteller beauftragt, so dass sein Verschulden dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist.

Versicherungsvermittler haben ein eigenes Interesse daran, Versicherungsverträge zustande zu bringen, da sie hierfür Provision erhalten. Es kann also sein, dass der Antragsteller dem Versicherungsvermittler weitere Vorerkrankungen zwar mitgeteilt hat, dieser aber meinte, dass diese weiteren Angaben „nicht wesentlich“ wären und daher „nicht angegeben zu werden brauchten“.

Schwierigkeiten bekommt bei einer Falschberatung dann zwar zunächst der Versicherungsnehmer; dieser kann sich jedoch im Wege des Regresses beim Versicherungsvermittler schadlos halten, wenn die Falschberatung kausal für den Wegfall des Versicherungsschutzes wurde. § 61 VVG schreibt aus diesem Grund nicht nur eine Beratungspflicht des Antragstellers vor, sondern auch eine Dokumentationspflicht des Vermittlers. Damit soll später nachgehalten werden können, worüber der Vermittler den Antragsteller beraten und aufgeklärt hat.

  • Wird im Gerichtsverfahren festgestellt, dass ein „Versicherungsvertreter“ die Falschberatung zu vertreten hat, kann sich die Versicherung nicht vom Vertrag lösen: Das Wissen des Versicherungsvertreters wird ihr als eigenes zugerechnet.
  • Hat hingegen ein „Versicherungsmakler“ die Falschberatung zu vertreten, werden die Rechte der Versicherungsgesellschaft hierdurch nicht berührt und dem Versicherungsnehmer bleibt nur, den von ihm beauftragten Versicherungsmakler auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. (Prozessual sollte diesem gem. §§ 72 ff. ZPO daher im Gerichtsverfahren gegen die Versicherungsgesellschaft der Streit verkündet werden.)

Sie haben noch Fragen zum Thema „Rücktrittsrecht der Krankenversicherung“? Als Fachanwalt für Versicherungsrecht in Köln berate Sie Dr. Riemer gerne umfassend zum Thema.

Was bedeutet Berufsunfähigkeit?

Rücktrittsrecht des Krankenversicherers bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht

Der Bundesgerichtshof (Urteil IV ZR 372/15 vom 27.4.2016) hatte über den Fall des Rücktritts einer privaten Krankenversicherung vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vertraglichen Anzeigepflicht zu entscheiden. Das Urteil zeigt mustergültig auf, wann sich ein Versicherer vom Vertrag durch Rücktrittserklärung wieder lösen kann.

1. Beantworten Sie Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß

Zu jedem Versicherungsantrag für eine private Krankenversicherung (wie auch für Krankentagegeld- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen) gehört dazu, dass die Versicherungen Gesundheitsfragen stellen. Dieses Recht steht ihnen gem. § 19 Abs.1 S.1 VVG zu, um das Risiko zu kalkulieren, ob sie den Vertrag nicht, mit Einschränkungen oder nur zu erhöhten Prämien annehmen möchten:

  • Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.

Wenn zwischen dem Zeitpunkt des Antragsdatums und der Vertragsannahme durch die Versicherung (was mitunter 2 – 3 Wochen dauern kann) neue Erkrankungen auftreten, die der Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen noch nicht angegeben hat (noch nicht angeben konnte), sind diese Angaben der Versicherungsgesellschaft gem. § 19 Abs.1 S,2 VVG unaufgefordert nachzureichen – jedenfalls dann, wenn diese Risiken betreffen, nach denen gefragt worden war:

  • Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

2. Wie können Versicherer später feststellen, ob Gesundheitsfragen falsch beantwortet wurden?

Unrichtige oder unvollständige Angaben über Vorerkrankungen kommen dann heraus, wenn Arztbriefe, die Behandlungsdokumentation oder Abrechnungsdaten zu solchen Krankenbehandlungen der gesetzlichen Krankenkasse hierzu später bekannt werden.

  • Bei fachärztlichen Behandlungen liegt häufig eine Überweisung durch den Hausarzt vor – oder dieser erhält später von seinem Facharztkollegen einen Arztbrief zwecks Information und Anschlussbehandlung.
  • Insbesondere bei Krankenhausbehandlungen wird zumeist eine umfassende Anamnese über den Allgemeinzustand und die bislang erfolgten Krankenbehandlungen durchgeführt.
  • Ärztliche Behandlungsdokumentationen sind mindestens 10 Jahre lang aufzubewahren.
  • Aufgrund der bei Antragstellung erteilten Schweigepflichtsentbindungserklärung können die Versicherer auf die Behandlungsdokumentationen und Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen/Krankenkassen zugreifen und diese auswerten.

Die Chance, dass unvollständige oder falsche Gesundheitsangaben, nach denen die Versicherer gefragt haben, später „auffliegen“, ist somit recht hoch.

3. Welche Möglichkeiten haben Versicherer, wenn sie bei der Antragstellung belogen wurden?

Es stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Die Versicherung kann – rückwirkend – vom Vertrag zurücktreten (§ 19 Abs.2 VVG).
  • Die Versicherung kann – in die Zukunft gerichtet – den Versicherungsvertrag kündigen (§ 19 Abs. 3 VVG), wenn es zwar objektiv zu falschen Antworten gekommen ist, der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat).
  • Im Falle einer „arglistigen Täuschung“ kann die Versicherung den Vertrag – rückwirkend – anfechten.

Das Rücktritts- und Kündigungsrecht unterliegt gleichwohl gewissen Beschränkungen, wenn die Versicherung den Antrag bei vollständiger Kenntnis nicht abgelehnt, sondern zu geänderten Konditionen (z. B. höherer Beitrag, Leistungsausschlüsse) angenommen hätte: dann bleibt der Versicherungsvertrag grundsätzlich bestehen, aber zu diesen anderen Konditionen (§ 19 Abs.4 VVG).

Außerdem gelten diese Gestaltungsrechte für die Versicherungen nur dann, wenn sie den Versicherungsnehmer in den Antragsunterlagen auf diese Folgen hingewiesen hat.

4. Muss die Versicherung bei Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung gezahlte Beiträge erstatten?

Nein. Gemäß § 39 VVG stehen dem Versicherer die gezahlten Beträge bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem der Rücktritt, die Anfechtung oder die Kündigung wirksam werden. Darin liegt ein hohes Risiko falscher Angaben: Der Versicherungsnehmer hat Beiträge entrichtet, bekommt diese nicht zurück und hatte bei wirksamer Anfechtung auch nie Versicherungsschutz (bei der Kündigung hatte er diesen zwar; beim Rücktritt jedoch nur eingeschränkt für solche Erkrankungen, welche nicht die verschwiegenen Risiken betrafen).

5. Welche Möglichkeit hat der Versicherungsnehmer für eine Anschlussversicherung?

In allen drei Fällen – Rücktritt, Anfechtung und Kündigung – ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Versicherungsnehmer bei einer anderen Gesellschaft zu regulären Konditionen in einem Volltarif noch angenommen wird, da diese nachfragen, ob zuvor schon einmal eine private Krankenversicherung bestanden hat und wie diese endete.

In Deutschland besteht jedoch Versicherungspflicht (§ 193 Abs.3 VVG): Niemand darf ohne Versicherungsschutz sein. Ist die Rückkehr in eine gesetzliche Krankenkasse nicht möglich, bleibt dem Versicherungsnehmer dann nur noch die Weiterversicherung im allseits ungeliebten Basistarif. Jede andere private Krankenversicherung muss auf Antrag mit diesem Versicherungsnehmer einen Krankenversicherungsvertrag im Basistarif eingehen, wobei sie jedoch nachträglich Beiträge für Zeiträume erheben kann, in denen der Versicherungsnehmer keinerlei Versicherungsschutz hatte.

Stand: 03.04.2018

Vergleichbarkeit der Lebensstellung für Ansprüche aus Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidend

Der Bundesgerichtshof (Urteil IV ZR 11/16 vom 20.12.2017) hat sich mit der Frage beschäftigt, welcher Beruf des Klägers für die Beurteilung seiner Berufsunfähigkeit heranzuziehen ist und inwiefern dabei die Gründe für einen Berufswechsel zu berücksichtigen sind.

Sachverhalt

Von 1987 bis 1991 wurde der Kläger zum Landmaschinenmechaniker ausgebildet und arbeitete von 1994 bis 2000 im Bereich Metallbau mit dem Schwerpunkt Hufbeschlag, woraufhin er einen viereinhalb Monate dauernden, ganztägigen Lehrgang zum Hufbeschlagschmied absolvierte und in diesem Beruf von 2003 bis 2009 selbstständig tätig war. Daraufhin arbeitete er bis 2015 in einer Biogasanlage zunächst als Anlagenwart, später als Maschinenführer und seit 2015 in einem anderen Unternehmen als Lagerist. Der Kläger leidet seit 2004 unter anderem an chronischen Lendenwirbel- und Schultergelenksbeschwerden, weshalb er zur Tätigkeit in der Biosgasanlage habe wechseln müssen, da die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied zunächst noch nebenberuflich möglich gewesen, er aber seit Juli 2012 zu mindestens 50 % berufsunfähig und deshalb nicht mehr im Stande sei, diese Tätigkeit auszuüben.

Seit 1993 unterhielt der Kläger bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit dem Zusatz einer Berufsunfähigkeitsversicherung, aus der er Leistungen verlangt, die ihm die Beklagte aber verweigert, da er auf seine Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen werden könne. Die Versicherungsbedingungen, die seinem Leistungsbegehren zugrunde liegen, lauten wie folgt: „1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“

Entscheidung

Der BGH hat das Berufungsurteil (OLG Schleswig, 17.12.2015 – 16 U 50/15) auf die Revision des Klägers aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da dieses die Klage mit der gegebenen Begründung nicht hätte abweisen dürfen. Das OLG Schleswig habe es unterlassen, die Qualifikation des Klägers, die er für seine zuletzt in gesundem Zustand ausgeübte Tätigkeit als Hufschmied erworben hatte, mit der für den Beruf des Maschinenführers erforderlichen zu vergleichen. Das LG Flensburg (LG Flensburg, 23.03.2015 – 4 O 303/14) hatte die Klage am 23.03.2015 abgewiesen, da sich der Kläger jedenfalls auf den jetzt ausgeübten Beruf verweisen lassen müsste, selbst wenn man für die Frage einer Berufsunfähigkeit auf den Beruf des Hufschlagschmieds abstellen würde und davon ausginge, der Kläger sei auf Dauer zu mindestens 50 % hinsichtlich dieser Tätigkeit berufsunfähig. Das OLG Schleswig wies die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurück, da es weder auf einem Rechtsfehler gemäß § 546 ZPO beruhe, noch die einer Entscheidung gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung nach § 513 Abs. 1 ZPO rechtfertigen.

I. Voraussetzungen einer zulässigen Vergleichstätigkeit 

Entgegen dem OLG Schleswig, das die Verweisung auf die Tätigkeit als angestellter Maschinenführer für zulässig hielt und dem Kläger deshalb keine Ansprüche aus der Zusatzversicherung zugestand, und zwar unabhängig davon, welcher Beruf für die Frage der Berufsunfähigkeit heranzuziehen sei und ob der Wechsel zur nebenberuflichen Tätigkeit als Hufschmied im Jahre 2009 aus gesundheitlichen Gründen erfolgte, dürfe dies laut dem BGH gerade nicht offengelassen werden.

1. Nach Ausbildung und Berufserfahrung möglich

Der Kläger wurde als Landmaschinenmechaniker ausgebildet und war bereits als Maschinenführer im Garten- und Landschaftsbau tätig, weshalb das LG Flensburg richtigerweise davon ausging, der Kläger sei grundsätzlich in der Lage, als Maschinenführer in der Biogasanlage zu arbeiten.

2. Bisherige Lebensstellung 

Zudem käme eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 der Bedingungen der Versicherung nur in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspreche, welche vor allen Dingen durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt werde. Danach dürfe die neue Tätigkeit nicht deutlich geringere Fähigkeit und Erfahrung erfordern als der bisherige Beruf. Ausschlaggebend für die Lebensstellung sei demnach die Qualifikation der Erwerbstätigkeit, die von den für die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung erforderlichen und vorausgesetzten Kenntnissen und Erfahrungen bestimmt werde. Eine zulässige Vergleichstätigkeit dürfe also weder deutlich geringere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern noch in ihrer Vergütung und ihrer sozialen Wertschätzung merklich unter dem Niveau des bisherigen Berufs liegen.

3. Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit 

Der Kläger habe als selbstständiger Hufbeschlagschmied im ländlichen Bereich gegebenenfalls ein höheres Sozialprestige genossen als ein angestellter Maschinenführer, was nach dem OLG Schleswig aber durch das höhere und einigermaßen auskömmliche Einkommen des Klägers als Maschinenführer jedenfalls ausgeglichen werde. Auch das LG Flensburg hatte festgestellt, dass eine wirtschaftlich erfolglose Berufstätigkeit im allgemeinen sozialen Ansehen als gering bewertet würde.

4. Verdienstmöglichkeiten 

Nachdem das Einkommen des Klägers als Hufschmied nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausgereicht hatte, führte sein Berufswechsel zu einer erheblichen Einkommenssteigerung. Das LG Flensburg hatte bereits in erster Instanz geltend gemacht, die Lebensstellung des Klägers habe sich durch den Berufswechsel nicht verschlechtert, da keine wirtschaftlich erfolgreiche Berufsausübung als Hufbeschlagschmied vorgelegen habe. Unabhängig von einem gegebenenfalls höheren Einkommen dürfe der Versicherte aber nicht „unterwertig“ beschäftigt werden.

5. Berufliche Qualifikation 

Nach dem LG Flensburg sei für die Bestimmung des Verweisungsberufs, vorliegend der des Maschinenführers in einer Biogasanlage, lediglich ausschlaggebend, dass die Tätigkeit nicht ihrerseits zusätzliche Kenntnisse erfordere, über die der Versicherungsnehmer nicht verfüge. Die Verfügung über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen, die für diese Tätigkeit nicht benötigt würden, sei diesbezüglich unschädlich. Der Kläger hat jedoch beanstandet, dass die Fähigkeiten als Hufschlagschmied für die Tätigkeit als Maschinenführer in keiner Weise benötigt würden und er sich derart spezialisiert habe, dass eine Tätigkeit als Schmied nicht mehr mit seiner ursprünglichen Ausbildung als Landmaschinenmechaniker vergleichbar sei. Nach dem BGH werde die berufliche Qualifikation des Versicherten durch die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen bestimmt und dürfe durch die neue Tätigkeit, vor allen Dingen hinsichtlich seiner früheren Qualifikation und seines beruflichen oder sozialen Status, nicht wesentlich unterschritten werden.

6. Darlegungslast

Die Revisionserwiderung des OLG Schleswig berief sich darauf, der Kläger sei seiner Darlegungslast noch nicht zur Genüge nachgekommen, allerdings hatte er keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen hinsichtlich des mit beiden Berufen verbundenen Anforderungsprofils vorgetragen, da das Berufungsgericht lediglich eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit gefordert hatte. Nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO wäre vorliegend ein Hinweis geboten gewesen, den das Berufungsgericht aber nicht erteilt hat.

II. Ergebnis

Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da es nicht in eigener Sache über den Fall entscheiden könne, denn das Berufungsgericht habe weder Feststellungen zu den Anforderungsprofilen für die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied noch als Maschinenführer getroffen.

Stand: 01.03.2018

Haftpflichtversicherung der Heilberufe

Anders als für die Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer (§ 52 WiPrO), Steuerberater (§ 52 DVStB) und Rechtsanwälte (§ 51 BRAO) sind die Angehörigen der Heilberufe nur in „lockerer Form“ verpflichtet, sich gegen Haftungsrisiken aus ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Für geschädigte Patienten, die von Arzthaftung betroffen sind, kann dies zum Problem werden.

Was ist die Heilberufe-Haftpflichtversicherung?

Versicherungssystematisch handelt es sich um eine Sach- und Schadenversicherung, die sich speziell an die Angehörigen der Heilberufe richtet. Sie soll die Praxis des Berufsträgers (Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeut, Physiotherapeut, Heilpraktiker, Tierarzt, Apotheker etc.) als Unternehmen und – da diese in aller Regel selbstschuldnerisch haften – sein Privatvermögen vor den Folgen der Inanspruchnahme wegen eines Behandlungsfehlers schützen. Die Kosten von Gesundheitsschäden können exorbitant hoch sein, zu hoch, als dass ein Arzt sie aus eigenem Vermögen selber begleichen könnte. Leicht nachzuvollziehen ist die an den „Extremfällen“ der Geburtsschäden (Gynäkologen) und Hirnschäden (Anästhesisten), die in die Millionenhöhe reichen können. Damit schützt die Heilberufe-Haftpflichtversicherung zugleich auch die geschädigten Patienten vor einer Insolvenz des Therapeuten, da die Versicherung in der Höhe des Deckungsschutzes ein ausreichendes finanzielles Polster bieten soll.

Ist für alle Heilberufe eine Haftpflichtversicherung vorgeschrieben?

Leider nicht. Die „Haftpflichtversicherung“ ist nicht zugleich auch eine „Pflichthaftpflichtversicherung“ für alle Heilberufe. Denn das Berufsrecht der Heilberufe ist in den jeweiligen Heilberufe-Kammergesetzen der Bundesländer geregelt, ohne dass es eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Das Berufsrecht der Heilberufe ist nämlich Teil der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 GG), d. h. der Bund könnte zwar von seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich Gebrauch machen, hat dies bislang jedoch nicht getan. Daher kann jedes Bundesland für die Angehörigen seiner Heilberufe eine eigene Regelung erlassen, ob und bis zu welcher Höhe sich Therapeuten in seinem Gebiet gegen Regresse zu versichern haben.

Dort – in den Bundesländern bzw. Heilberufe-Kammergesetzen – wo der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zwingend vorgeschrieben ist, handelt es sich um eine „Pflichthaftpflichtversicherung“, in den übrigen Bundesländern nur um eine „freiwillige Vorsorgemaßnahme“.

Aufgegliedert nach Bundesländern sehen folge Heilberufe-Kammergesetze eine Versicherungspflicht zwingend vor:

  • Art.18 Abs.1 Nr.4 Bayerisches Heilberufe-Kammergesetz
  • § 31 Abs.1 S.4 Brandenburger Heilberufegesetz
  • § 28 Nr.4 Bremer Heilberufegesetz
  • § 27 Abs.4 Hamburgisches Kammergesetz für die Heilberufe
  • § 32 Abs.1 Nr.6 Heilberufsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
  • § 30 Nr.4 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen
  • § 22 Abs.1 Nr.1 Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz
  • § 19 Abs.2 Nr.4 des Gesetzes über die Kammern von Heilberufen Sachsen-Anhalt
  • § 30 Nr.6 Heilberufekammergesetz Schleswig-Holstein

In sechs anderen Bundesländern finden sich in den Heilberufe-Kammergesetzen nur Ermächtigungen für die jeweiligen berufsständischen Kammern, eine solche Versicherungspflicht in den einschlägigen Berufsordnungen zu regeln („Kann-Vorschrift“), wovon fünf Ärztekammern Gebrauch gemacht haben:

  • § 21 Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte Hessen
  • § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen
  • § 21 Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte des Saarlandes
  • § 21 Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer
  • § 21 Berufsordnung der Landesärztekammer Thüringen

In Baden-Württemberg schreibt das Gesetz in

  • § 31 Abs.2 S.1 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg

der Ärztekammern zwar vor, eine hinreichende Haftpflichtversicherung in ihre Berufsordnungen aufzunehmen, jedoch ohne weitere Inhalte dieser Pflicht zu regeln. Die Ärztekammer hat in § 21 Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg aber eine entsprechende Regelung getroffen.

In Berlin ist eine Versicherungspflicht ausschließlich in den Berufsordnungen geregelt, z. B. in

  • § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Berlin

In Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben die Berufskammern die Einhaltung der Versicherungspflicht überdies auch sicherzustellen. D. h., der Therapeut muss der aufsichtsführenden Kammer seine Haftpflichtversicherung nachweisen.

Macht die Einordnung als „Pflichthaftpflichtversicherung“ einen Unterschied für die geschädigten Patienten?

Ja, wegen der Mindestversicherungssumme: Handelt es sich bei einer Versicherung um eine Pflichthaftpflichtversicherung (§ 113 VVG), muss die Deckungssumme mindestens 250.000 € pro Schadensfall und 1 Mio. € für die Summe aller Schadensfälle pro Versicherungsjahr betragen (§ 114 VVG). Bei einer rein freiwilligen Versicherung steht es dem Versicherungsnehmer hingegen frei, wie hoch er sich versichern möchte.

Umstritten ist anhand obiger Beispiele aber bereits, wann eine „Pflichtversicherung“ besteht: Nur wenn ein Kammergesetz sie vorschreibt, oder auch bereits dann, wenn ihre Verpflichtung lediglich in einer Berufsordnung geregelt ist.

Besteht bei einer „Pflichthaftpflichtversicherung“ ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung?

Nein, nicht im Bereich der Heilberufe, sondern nur bei der Kfz-Haftpflichtversicherung, weil dies in § 1 PflVG für den Bereich der Straßenverkehrshaftung ausdrücklich so geregelt wurde, auf den § 115 Abs.1 Nr.1 VVG verweist. Für andere Haftpflichtversicherungen gilt, dass der Geschädigte nur einen Anspruch gegen den Schädiger hat, der wiederum einen sog. Freistellungsanspruch gegen seine Haftpflichtversicherung besitzt. Die Lobby der Versicherungen hat sich gegenüber dem Gesetzgeber damit durchgesetzt, dass sie sich außerhalb der Kfz-Haftpflicht nur mit ihren Versicherungsnehmern auseinandersetzen braucht, nicht aber auch mit den geschädigten Dritten.

Eine Ausnahme, wie ein Direktanspruch des geschädigten Patienten gegen die Haftpflichtversicherung des Therapeuten aber gleichwohl entstehen kann, sieht § 115 Abs.1 Nr.2 und 3 VVG vor: Wenn der Therapeut in die Insolvenz rutscht (Nr.2) oder sein Aufenthalt unbekannt ist (Nr.3).

Für den Fall, dass der Aufenthalt des Therapeuten unbekannt ist, wird ein Direktanspruch gegen seine Versicherung jedoch oftmals nur dann weiterhelfen, wenn er eine „Pflichthaftpflichtversicherung“ abzuschließen hatte. Denn nur in diesem Fall wird seiner berufsständischen Kammer bekannt sein, wo er diese Versicherung unterhielt. In den übrigen Fällen wird der Patient dies wohl kaum je erfahren.

Wie ist mit Selbstbehalten umzugehen?

Der Versicherungsnehmer (Therapeut) kann mit dem Versicherer vereinbaren, dass Deckung nur für Schäden ab einer bestimmten Höhe eintritt. Bis zu dieser Schadenshöhe (Selbstbehalt) muss der Versicherungsnehmer den Schaden grundsätzlich alleine tragen. Liegt der Selbstbehalt z. B. bei 1.500 € und der Schaden bei 5.000 €, so zahlt die Versicherung nur 3.500 € an den Geschädigten (Patienten), bzw. stellt ihren Versicherungsnehmer nur in dieser Höhe frei. Der Selbstbehalt muss vom Versicherungsnehmer selber eingefordert werden, was z. B. im Falle dessen Insolvenz ins Leere läuft. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung können Versicherer und Versicherungsnehmer die Höhe des Selbstbehalts frei vereinbaren; nur bei der „Pflichthaftpflichtversicherung“ schreibt der Gesetzgeber regelmäßig vor, wie hoch ein Selbstbehalt maximal sein darf, um den Zweck der Versicherung nicht zu gefährden.

Bei der „Pflichthaftpflichtversicherung“ darf die Versicherung dem Geschädigten gegenüber den Selbstbehalt anders als bei der „freiwilligen Haftpflichtversicherung“ nicht abziehen (§ 114 Abs.2 VVG): Sie muss die volle Schadensersatzforderung im Außenverhältnis tragen, kann bei ihrem Versicherungsnehmer im Innenverhältnis jedoch Regress nehmen.

Kritik am unzureichenden Versicherungsschutz

Nur in sieben Bundesländern kontrollieren die berufsständischen Kammern, ob ihre Mitglieder überhaupt versichert sind. Eine Versicherungspflicht ergibt jedoch nur Sinn, wenn sie auch kontrolliert und Verstöße dagegen sanktioniert werden (bei Rechtsanwälten führt der Wegfall des Versicherungsschutzes gem. § 14 Abs.2 Nr.9 BRAO z. B. zum Entzug der Anwaltszulassung).

Die Schadenshöhe bei Personenschäden kann in den Millionenbereich gehen. Anzunehmen ist zwar, dass die meisten Ärzte mit mehreren Millionen Euro Deckungssumme gegen Schadensersatzforderungen versichert sind, weil heutige Policen dieses so vorsehen. Unbekannt ist aber, wie viele ältere Versicherungspolicen älterer Ärzte es noch geben mag, welche eine Anpassung an die Entwicklung hin auch zu höheren Schmerzensgeldern in der Rechtsprechung nicht realisiert haben.

Der Bundesgesetzgeber sollte tätig werden und zum Schutz der Patienten im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) eine einheitliche Regelung vorsehen, wonach jeder Angehöriger eines Heilberufs für die Dauer seiner Berufsausübung mit mindestens 5 Mio. € pro Schadensfall haftpflichtversichert sein muss.

Stand: 14.02.2018

Muss die Rechtsschutzversicherung für die Kosten eines Privatgutachtens aufkommen?

Mandanten irren zuweilen in der Vorstellung, eine Rechtsschutzversicherung wäre ein „Vollkaskoschutz“, der sie vor sämtlichen Rechtsverfolgungskosten bewahren würde. So einfach liegen die Dinge jedoch nicht: Eine Rechtsschutzversicherung ist ihrer Natur nach eine Schadensversicherung, die gem. § 125 VVG verpflichtet ist, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers (oder des Versicherten) erforderliche Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.

Wofür gewähren Rechtsschutzversicherungen Deckungsschutz?

Was zwischen dem Versicherer (VR) und dem Versicherungsnehmer (VN) als Deckungsschutz vereinbart ist, ergibt sich aus dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen. Im Versicherungsschein (auch Police genannt) ist geregelt, in welchem Tarif der Versicherungsnehmer versichert ist, und in den Allgemeinen Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen (kurz: ARB) wird dieser tarifliche Schutz dann im Einzelnen näher ausgestaltet.

§ 2 ARB zählt zumeist die Leistungsarten auf, die unter den Versicherungsschutz fallen, z. B. Schadensersatz-Rechtsschutz, Arbeits-Rechtsschutz, Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz, Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht etc.

§ 3 ARB hingegen zählt auf, in welchen Rechtsangelegenheiten Deckungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen nicht besteht, z. B. in ursächlichem Zusammenhang mit Kriegsereignissen, Kernkraftunfällen, Patentstreitigkeiten, kollektivem Arbeitsrecht etc.

Zwar hat der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft e.V. ARB-Musterbedingungen erstellt, an denen sich die meisten Versicherer orientieren. Seit dem Jahr 1994 besteht für Versicherungsgesellschaften jedoch die Möglichkeit, individuelle Konditionen für ihre Kunden anzubieten, weswegen Versicherungsbedingungen immer im Einzelfall zu prüfen sind. Denn wegen vieler noch fortbestehender Altverträge gibt es heute sehr viele verschiedene ARBs.

Wann übernehmen Rechtsschutzversicherungen Privatgutachterkosten?

Nicht selten, z. B. bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, hängen die Erfolgsaussichten des Mandats von der Klärung medizinischer, technischer oder naturwissenschaftlicher Fragen ab, mit deren Beantwortung sowohl der Mandant selber, wie auch sein Anwalt überfordert sind und zu deren Aufklärung das Gericht einen Sachverständigen beauftragen würde, z. B.

ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt und welche Folgen daraus resultieren,

die Höhe der Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall,

die Kosten für die Beseitigung eines Wasserschadens an einem Gebäude,

ob eine Maschine fehlerfrei funktioniert,

der Wert einer Immobilie (z. B. bei der Auseinandersetzung einer Miteigentumsgemeinschaft),

die Bewertung eines Unternehmensschadens, etc.

Was liegt also näher, als hierzu außergerichtlich bereits ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die eigene Rechtsposition zu untermauern und dem Anspruchsgegner gegenüber besser darstellen zu können? Sinnvoll ist dieser Schritt, einen Privatsachverständigen zu beauftragen, oftmals allemal. Aber kommt die Rechtsschutzversicherung dafür auf?

Deckungsschutz für die Kosten gerichtlicher Sachverständiger

Auch dabei kommt es wiederum auf die individuell vereinbarten Bedingungen an, die ein Rechtsanwalt zuvor prüfen sollte. Die ARB-Musterbedingungen sehen in § 5 Abs. 1 c) nämlich regelmäßig nur Deckungsschutz für die Kosten von solchen Sachverständigen vor, die „vom Gericht herangezogen“ werden: Gelangt der Rechtsstreit vor Gericht und beauftragt das Gericht einen Sachverständigen, sind diese Kosten somit vom Deckungsschutz umfasst.

Eine Ausnahme hiervon bildet § 5 Abs. 1 f) ARB, der zur Verteidigung in verkehrsstrafrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Kauf- und Reparaturverträgen von Motofahrzeugen (zu Lande) und Anhängern ebenfalls die Übernahme von Sachverständigenkosten vorsieht.

In allen anderen Fällen, auch wenn die Einholung eines Privatgutachtens zur Anspruchsdurchsetzung höchst sinnvoll sein mag, ist Kostenschutz über die Rechtsschutzversicherung in aller Regel ausgeschlossen: Diese Kosten müssen die Mandanten privat bezahlen.

Vom Gericht herangezogene Sachverständige

Wann ist ein Sachverständiger i.S.v. § 5 Abs. 1 c) der Muster-ARB jedoch „vom Gericht herangezogen“? – Gilt dies nur dann, wenn das Gericht selber den Sachverständigen beauftragt hat, oder auch dann bereits, wenn das Gericht einen Privatsachverständigen, den eine Prozesspartei beauftragt und zur mündlichen Verhandlung mitgebracht hat, in der mündlichen Verhandlung hört und/oder sein schriftlich erstattetes Gutachten im Urteil verwertet?

Diese Frage war umstritten in einem Fall, den der Ombudsmann für Versicherungen e.V. (Berlin) in einem Einzelfall zu klären hatte:

Eine Lehranalysandin (Ausbildungskandidatin zur Psychotherapeutin) verklagte ihren vormaligen Lehranalytiker vor dem Landgericht Köln auf Schadensersatz. Trotz grober Fehler des Lehranalytikers, der später wegen einer psychotischen Erkrankung stationär psychiatrisch untergebracht wurde, ging der Prozess verloren, da der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht erkennen konnte, dass die (Behandlungs-)Fehler des Lehranalytikers zu irgendeinem nachweisbaren Gesundheitsschaden bei seiner Analysandin geführt hatten.

Das Landgericht hatte jedoch einen Sachverständigen bestellt, der lediglich Psychiater und nicht auch Psychoanalytiker war, weswegen die Klägerin einen Privatgutachter beauftragte, der ärztlicher Psychoanalytiker war und dem Gericht die emotionalen Folgen und Gesundheitsgefahren einer fehlgelaufenen Psychoanalyse als Privatsachverständiger darlegen sollte.

Das Landgericht setzte sich mit den Ausführungen dieses Privatsachverständigen im Urteil auch auseinander, so wie mit einem zweiten Gerichtssachverständigengutachten, folgte jedoch dem „Erstgutachter“ (LG Köln, Urteil 19 O 85/10 vom 14.10.2013). Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung gem. § 522 ZPO zurück (OLG Köln, Beschluss I-12 U 55/13 vom 4.6.2014).

[Beides schwer verständlich, da ein „grober Behandlungsfehler“ feststand: Das Landgericht war jedoch – insoweit zutreffend – der Auffassung, da es sich bei der Lehranalyse nicht um eine Patientenbehandlung, sondern um eine Ausbildung handelte, und – eher zweifelhaft – dass die Beweisgrundsätze des Arzthaftungsrechts auf den vorliegenden Fall daher nicht anwendbar wären, was wohl auch damit zusammenhing, dass der Rechtsstreit aufgrund einer Lücke der Geschäftsverteilungspläne sowohl beim Landgericht, wie auch beim Oberlandesgericht, nicht der Fachkammer bzw. dem Fachsenat für Medizinschadensfälle zugewiesen war.]

Zwischen der Klägerin und ihrer Rechtsschutzversicherung ging es sodann um die Frage, wer für die Kosten des psychoanalytischen Privatsachverständigen aufzukommen hatte: Die Rechtsschutzversicherung – oder blieb die Versicherungsnehmerin auf diesen verauslagten Kosten sitzen?

Wie hat der Versicherungsombudsmann den Fall entschieden?

Im Streit mit Versicherungen besteht für Privatpersonen die Möglichkeit, zur Klärung von Ansprüchen gegen ein Versicherungsunternehmen den Ombudsmann für Versicherungen e.V. in Berlin anzurufen (www.versicherungsombudsmann.de), was die Versicherungsnehmerin in diesem Fall getan hat. Dem Versicherungsombudsmann sind dabei, ähnlich wie in einer Klageschrift, alle zur Begründung des Deckungsanspruchs notwendigen Tatsachen vorzutragen und Belege vorzulegen. Er fordert das Versicherungsunternehmen sodann zu einer Stellungnahme auf und kann bei Ansprüchen bis 10.000 € eine für die Versicherung bindende Entscheidung treffen oder eine Empfehlung für die Regulierung aussprechen. Dieses Verfahren ist für Verbraucher – anders als ein Gerichtsverfahren – kostenfrei.

Im vorliegenden Fall lautete die Entscheidung des Versicherungsombudsmanns (ausgehend von den ARB 75/93) – negativ – wie folgt:

„Soweit die Beschwerdeführerin das Privatgutachten privat beauftragt hat, handelt es sich nicht um erstattungsfähige Gerichtskosten. Kostenschuldner des Gutachters ist originär die Auftraggeberin, in diesem Fall also die Beschwerdeführerin. Ist ein Sachverständiger nicht vom Gericht herangezogen worden, sind dessen Kosten nicht vom Versicherer zu tragen (vergleiche AG Köln r+s 1992, 58; AG Würzburg, r+s 1995, 264; Böhme, ARB, 12. Auflage, § 2 Rn. 25; van Bühren/Plote, ARB, 2. Auflage, § 5 Rn. 65; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Auflage, § 5 ARB 2000 Rn. 116; Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 5 ARB 2008/ll Rn. 28; Mathy, Rechtsschutz-Alphabet, 2. Auflage, S. 693; Obarowski in: Münchener Kommentar zum WG, Anh. zu § 125, Rn. 96; Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Auflage, § 5 ARB 2010 Rn. 10).“

Privatgutachterkosten, auch im gerichtlichen Verfahren, sind demnach vom Deckungsanspruch gegen die Rechtsschutzversicherung regelmäßig nicht umfasst.

Hätte die Klägerin einen Kostenersatzanspruch gegen den Lehranalytiker gehabt?

Anders hätte der Fall ausgesehen, wenn die Klägerin den Rechtsstreit gegen ihren Analytiker gewonnen hätte. In diesem Fall hätte die sie ihre Kosten, die zur Rechtsverfolgung notwendig waren, nämlich gem. § 91 ZPO gegen den Gegner festsetzen lassen können, wozu nicht nur Rechtsanwaltskosten zählen, sondern auch alle weiteren notwendigen „Auslagen“. Wenn sich eine nicht-fachkundige Partei in einen Rechtsstreit begibt, wo ihr die Sachkunde der zu klärenden Fachfragen fehlt (was hier der Fall war; die Klägerin war keine Ärztin), gehen die Gerichte im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig davon aus, dass die Zuziehung eines Privatsachverständigen jedenfalls dann notwendig war, wenn dieser das Verfahren spürbar beeinflusst hat, z. B. wenn sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung und/oder im Urteil mit seinen Ausführungen auseinander gesetzt hat (vgl. mit weiteren Nachweisen Bauer in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8.Aufl. 2010, § 5 Rn. 116).

Wie kann man „vorgerichtliche Sachverständigenkosten“ gleichwohl über die Rechtsschutzversicherung decken?

„Vorgerichtliche“ Kosten an sich nicht. Zur Klärung von Sachverständigenfragen kann der Versicherungsnehmer jedoch gem. § 485 ZPO „während oder außerhalb eines Streitverfahrens“ ein sog. selbständiges Beweisverfahren (Beweissicherungsverfahren) beantragen. Dieses ist ein Gerichtsverfahren, nicht viel anders als eine Hauptsacheklage – und für diese Kosten muss die Rechtsschutzversicherung bedingungsgemäß wiederum eintreten.

Anders als bei der Beauftragung eines Privatgutachters bestellt im selbständigen Beweisverfahren nämlich wiederum das angerufene Gericht einen Sachverständigen und beauftragt ihn, die zu klärenden Beweisfragen, mit Bindungswirkung für das spätere Klageverfahren, zu beantworten. Dieser Weg wird z. B. eingeschlagen und von Anwälten empfohlen, wenn der „Verlust eines Beweismittels“ droht. Z. B. bei Zahnarzthaftung, wenn das fehlerhaft gearbeitete Gebiss in diesem Zustand nicht bleiben kann, bis ein Zahnarzthaftungsverfahren durch möglicherweise zwei Instanzen in ca. 3 Jahren abgeschlossen ist, sondern der Patient die Zahnarztfehler zuvor bereits beheben lassen muss.

Gegen die Kosten von Beweissicherungsverfahren können sich die Rechtsschutzversicherungen nicht sperren. Diese müssen sie akzeptieren.

Abweichende Regelung im Sozialrecht

Anders ist die Rechtslage jedoch im Sozialrecht. In § 109 Abs.1 SGG wird Versicherten, die mit einem gerichtlich eingeholten Gutachten nicht einverstanden sind, das Recht auf Anhörung eines – wenn man so möchte – ärztlichen Privatgutachters eingeräumt: „Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.“

Diese Gutachterkosten sind vom Deckungsanspruch gegen die Rechtsschutzversicherung wiederum umfasst, da auch hier wiederum das Gericht den vom Kläger benannten Arzt als Zweitgutachter bestellt und anhört.

Stand: 30.04.2017

Eingeschränkter Berufsunfähigkeitsschutz in Versicherungsbedingungen unwirksam

Der Bundesgerichtshof hatte in einer neueren Entscheidung vom 15.2.2017 über folgende Klausel in einer Berufsunfähigkeitsversicherung entschieden:

„Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungengilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis“.

Und sie für intransparent befunden.

Klauseln eines Versicherungsvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen

Bei dieser Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs.1 Satz 1 BGB, die vorformuliert für eine Vielzahl von Verträgen gilt. Sie ist jedoch nicht wirksam, wenn sie einseitig formuliert worden ist. Eine Klausel des Versicherungsunternehmens ist einseitig gestellt, wenn sie dem Versicherungsinteressenten nicht die Möglichkeit gibt, auf die inhaltliche Ausgestaltung Einfluss zu nehmen oder eigene Vorschläge einzubringen und diese in die Verhandlungen einzubeziehen. Dies ist nur gegeben, wenn der betreffenden Partei eine Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird. Extrempositionen müssen deutliche kenntlich gemacht werden.

Solch eine Klausel hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB nicht stand. Sie führt dazu, dass der Vertragszweck gefährdet wird. Anhand einer Klausel wie dieser, wird das Risiko derart gering, dass ein Ausgleich des Verdienstausfalls fast nicht möglich ist.

Unwirksamkeitsgründe

Zudem könnte solch eine Klausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sein. Die vorliegende Klausel unterscheidet sich von gewöhnlichen Berufsunfähigkeitsversicherungen und versichert lediglich das Risiko einer modifizierten Erwerbsunfähigkeit. Der eigentliche Zweck dieses Vertrags wird damit unterlaufen, denn der Zweck einer solchen Versicherung ist in der Regel die Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung.

Außerdem verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach müssen Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers klar und durchschaubar dargestellt werden. Gewöhnlich wird in einer Berufsunfähigkeitsversicherung auf den zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt und nicht auf einen fingierten. Diese Abweichung erschließt sich einem durchschnittlichen Kunden nicht. Kein Versicherungsnehmer wird von einer Unfähigkeit in einem fiktiven Beruf ausgehen. Wenn die Versicherung den zuletzt ausgeübten Beruf ausschließt, muss sie dies im Vertrag deutlich machen.

Im Ergebnis handelt es sich nach diesen Bedingungen nicht um den klassischen Fall einer Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern um eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung, was zu einer deutlichen Unwirksamkeit der Klausel führt, da sich solch eine Situation für den Versicherungsnehmer nicht ersichtlich erscheint.

BGH – IV ZR 91/16 –Urteil vom 15.2.2017

Stand: 31.03.2017